
Gewalt in Birmingham "Er ging sehr kaltblütig vor"
Stand: 06.09.2020 18:03 Uhr
Immer mehr Details der Gewaltnacht von Birmingham werden bekannt, schockierte Augenzeugen geben Interviews. Die Polizei geht von einer Serie aus und fahndet nach einem Verdächtigen.
Von Christoph Heinzle, ARD-Studio London
Erst seien nur die Fäuste geflogen, dann Messer ins Spiel gekommen, erinnert sich Cara Curran. Seit zwei Jahren arbeitet die junge Frau in Birminghams Clubs. So etwas habe sie noch nie erlebt, sagte sie der BBC: "Das war kein Kampf einer gegen den anderen, sondern Gruppen von Leuten. Alles verschwamm. Da waren immer mehr Leute, Männer und Frauen, Alte und Junge. Das Ganze war unwirklich."
Die Polizei spricht von insgesamt vier Messerstechereien innerhalb von zwei Stunden in der Nacht zum Sonntag, vor allem in Ausgehvierteln im Zentrum Birminghams. Zum Schutz gegen Corona waren Straßen für den Verkehr gesperrt - Gäste von Restaurants, Clubs und Pubs standen und saßen in großer Zahl im Freien.
An jedem dieser Orte habe es mehrere Angriffe mit Stichwaffen gegeben, sagte Chief Superintendent Steve Graham. Man habe Mordermittlungen eingeleitet: "Und obwohl wir noch am Anfang stehen, kann ich sagen: Wir behandeln die vier Messerstechereien als zusammenhängende Serie." Die Polizei leitete die Fahndung nach einem männlichen Verdächtigen ein und wertete zahlreiche Aufnahmen von Überwachungskameras aus.
Toter und Verletzte nach Messerangriff im britischen Birmingham
tagesschau 15:00 Uhr, 06.09.2020
"Er stach fünf- bis siebenmal zu und ging dann weiter"
Savvas Sfrantis arbeitet in der Gegend und hat laut eigen Angaben den Angriff eines schwarz gekleideten Mannes Anfang 20 verfolgt:
"Jeder dachte, er wollte das Mädchen berauben, ihre Halskette stehlen. Aber er stach sie in den Hals. Sie schrie. Er ging sehr kaltblütig vor. Er geriet nicht in Panik. Er stach fünf- bis siebenmal zu und ging dann weiter, als sei nichts passiert."
Ein klares Motiv ist noch nicht erkennbar. Die für Birmingham zuständige West Midlands Police betont, dass es bisher keinerlei Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund oder auf Bandenkriminalität gebe. Die Opfer wurden nach bisherigen Erkenntnissen willkürlich ausgewählt.
Polizei: Junge Männer immer gewalttätiger
Messerstechereien sind in britischen Großstädten Alltag. Die Zahlen stiegen über mehrere Jahre. In Birmingham beobachtet die Polizei laut Police Commissioner David Jamieson seit dem Corona-Lockdown eine Zunahme der Gewalt vor allem unter jüngeren Männern: "Ich sage das schon einige Zeit vor dem Hintergrund von COVID-19: Wenn sich der Unmut von Leuten, nicht ausgehen zu können, mit Unsicherheit über ihre Zukunft und ihre Jobs mischt, ist mehr Gewalt fast unvermeidlich." Das müsse zwar nicht direkt etwas mit diesem Vorfall zu tun haben. Aber man beobachte zunehmende Gewalt vor allem bei jüngeren Männern in der Region.
Die Polizei konzentriert sich jetzt auf die Fahndung nach dem Tatverdächtigen und hat die Bevölkerung aufgerufen, sich mit Beobachtungen, Fotos und Videos zu melden.
Zusammenfassung der Messerstechereien in Birmingham
Christoph Heinzle, ARD London
06.09.2020 19:17 Uhr
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