
Bestätigung aus Rom Benetton steigt aus Autobahnbetrieb aus
Stand: 15.07.2020 16:16 Uhr
Knapp zwei Jahre nach dem Brückeneinsturz in Genua mit 43 Toten zieht sich die Familie Benetton aus Italiens Autobahnbetrieb zurück. Ihre Autobahnsparte ASPI wird nun die Staatsbank GDP kontrollieren, teilte Rom mit.
Von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom
Nach einem stundenlangen, offensichtlich heftigen Ringen verkündet die Regierung die Einigung in einer schlichten Pressemitteilung. Die Benetton-Familie, heißt es darin, habe sich verpflichtet, die Kontrolle über die Betreibergesellschaft Autostrade per l’Italia (ASPI) unverzüglich an eine staatliche Gesellschaft zu übertragen, konkret an die Staatsbank GDP.
Benetton gibt damit nach über zwei Jahrzehnten den Betrieb von rund 3000 Kilometern italienischer Autobahnen aus der Hand.
Für Brückeneinsturz verantwortlich gemacht
Die Regierung hatte seit mehreren Monaten hohen Druck auf die Industriellenfamilie gemacht und mit einem Entzug der Betreiberlizenz gedroht. Vor allem die größte Regierungspartei, die Fünf-Sterne-Bewegung, hatte die Benettons mehrfach öffentlich attackiert und sie als die Hauptschuldige bezeichnet für den Einsturz der Morandi-Brücke in Genua vor knapp zwei Jahren. Führende Vertreter der Fünf Sterne hatten bereits kurz nach dem Unglück im August 2018 das politische Versprechen formuliert, den Benettons die Autobahn-Betreiberlizenz zu entziehen.

Erst nach fast vier Monaten nach dem verheerenden Brückeneinsturz wurde der Lkw von der Brücke entfernt. Bild: AP
Diese Drohung, unterstützt von Ministerpräsident Guiseppe Conte, sei bis zuletzt aktuell gewesen, berichten italienische Medien - ehe sich die Benetton-Gruppe Atlantia am Ende bereit erklärt habe, aus dem eigentlich bis 2038 gültigen Vertrag auszusteigen und die Kontrolle zu übertragen. Außerdem soll Atlantia 3,4 Milliarden Euro Entschädigung für den Brückeneinsturz zahlen.

43 Menschen kamen bei dem Unglück am 14.08.2018 in Genua ums Leben. Bild: REUTERS
Ausstieg - zu welchen Bedingungen?
Die Details des vereinbarten Abschieds der Benettons aus dem Autobahnbetrieb sollen in den kommenden Monaten von Finanzminister Roberto Gualtieri und Transportministerin Paola De Micheli verhandelt werden. Bis zum 27. Juli, so die Vereinbarung, sollen die Verhandlungen beginnen. Es wird erwartet, dass sie sich die Gespräche über Monate hinziehen werden.
Ein Frontalzusammenstoß zwischen Regierung und der Benetton-Familie aber ist mit der jetzigen Rahmenvereinbarung vermieden worden. Kritiker hatten gewarnt, auf den italienischen Staat könnten Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe zukommen, weil ein gültiger Vertrag aus vor allem politischen Gründen gekündigt werde.
Noch immer kein juristisches Urteil nach Brückeneinsturz
Ein juristisches Urteil, wer für den Brückeneinsturz verantwortlich ist, gibt es bis heute nicht. Benetton jedenfalls vermeidet durch den nun vereinbarten sanften Ausstieg mögliche Milliardenverluste. Die Börse in Mailand reagierte auf die Einigung mit einem Kurssprung für das Benetton-Unternehmen Atlantia. Ministerpräsident Conte lobte, dass durch die Vereinbarung Arbeitsplätze gesichert würden.
Laut übereinstimmenden italienischen Medienberichten ist in einem ersten Schritt vorgesehen, dass die Benettons ihren Anteil an der Betreibergesellschaft Autostrade per l’Italia von jetzt 88 auf zehn bis zwölf Prozent reduzieren. An Autostrade per l‘Italia ist auch die deutsche Allianz beteiligt, die mit Partnern knapp neun Prozent der Anteile des Autobahnbetreibers hält.