
Zusammenstöße in Belarus Schläge, Tritte, Blendgranaten
Stand: 12.08.2020 08:00 Uhr
Die dritte Nacht in Folge haben in Belarus die Menschen gegen Staatschef Lukaschenko protestiert. Sie werfen ihm Wahlfälschung vor. Die Polizei ging noch brutaler gegen die Demonstranten vor als in den Nächten zuvor.
Tausende Demonstranten gehen seit der Präsidentenwahl am Sonntag in ganz Belarus auf die Straße. Sie werfen dem autoritär regierenden Staatschef Alexander Lukaschenko vor, das Wahlergebnis massiv gefälscht zu haben. Bislang wurden etwa 6000 Protestteilnehmer festgenommen - mehr als 1000 allein in der vergangenen Nacht.
Es war die dritte Nacht in Folge, in der sich Demonstranten und Sicherheitskräfte heftige Auseinandersetzungen lieferten. Polizisten gingen nach Einschätzung von Beobachtern diesmal noch härter vor als in den Nächten zuvor. Aufnahmen in sozialen Netzwerken zeigen Polizisten, die mit Knüppel auf Demonstranten einschlugen und sie traten. Die Einheiten gingen auch auf Autofahrer los, die hupend durch die Straßen fuhren und teilweise die Wege blockierten.
Das Innenministerium teilte mit, dass 51 Demonstranten und 14 Sicherheitskräfte verletzt worden seien. Die Polizei soll eigenen Angaben zufolge auch Schusswaffen eingesetzt haben.
Zudem setzte die Polizei wieder Blendgranaten und Gummigeschosse gegen die Protestierenden ein. Diese wehrten sich mit Steinen und Flaschen und bauten vereinzelt Barrikaden auf. Explosionen waren zu hören. Die Zahl der Verletzten der vergangenen Nacht ist noch nicht bekannt. Am Dienstag sprachen die Behörden in Minsk von 200 Verletzten, die im Krankenhaus behandelt würden.
Angeblich Protest-Organisatoren festgenommen
Auch wie viele Menschen in Polizeigewahrsam kamen, ist noch unklar. Medien berichteten, dass auch Journalisten festgenommen worden seien. Die Rede war von massiver Gewalt gegen Reporter und Fotografen - auch gegen Journalisten, die in Belarus offiziell akkreditiert sind. Der britische Sender BBC in Russland berichtete, dass ein Filmteam von Sicherheitskräften angegriffen worden sei.
Sicherheitskräfte gaben an, angebliche Organisatoren der Demonstrationen festgenommen zu haben. Sie hätten einen von ihnen in einem Hotel entdeckt und abgeführt, meldete die Staatsagentur Belta, ohne Details zu nennen. Der Mann soll von dort aus Protestteilnehmer angeleitet haben.
Störung des Internets - Taktik der Behörden
Ein genauer Überblick ist schwierig, weil es in Belarus regelmäßig erhebliche Probleme mit dem Internet gibt. Die Behörden wollen mit dieser Taktik verhindern, dass sich Demonstranten vernetzen. Telegram-Gründer Pawel Durow schrieb auf Twitter, dass Programme gegen Netzsperren aktiviert worden seien, damit der Messengerdienst Telegram für möglichst viele verfügbar bleibe.
Minsk wehrt sich gegen Vorwürfe aus Ausland
Das Außenministerium in Minsk wies am Dienstagabend Kritik aus dem Ausland am Vorgehen des Machtapparats gegen Demonstranten zurück. Die schnellen Erklärungen zahlreicher europäischer Politiker seien absolut inakzeptabel. "Es ist bereits geplant, schicksalhafte Entscheidungen für die Beziehungen unseres Landes mit der EU zu treffen", hieß es der Staatsagentur Belta zufolge.
Die EU kündigte indes an, die Beziehung zu Belarus gründlich zu überprüfen. "Dies könnte unter anderem beinhalten, Maßnahmen gegen jene zu ergreifen, die verantwortlich für die beobachtete Gewalt, ungerechtfertigte Verhaftungen und die Fälschung der Wahlergebnisse sind", sagte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell im Namen der 27 Staaten. Allerdings hatte sein Sprecher zuvor bereits darauf verwiesen, dass für Sanktionsbeschlüsse die Zustimmung aller EU-Mitgliedsländer gebraucht wird.
Auch aus Deutschland kam mehrfach die Forderung nach Strafmaßnahmen. "Wenn das nicht sofort endet, müssen EU-Sanktionen her", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der "Welt". Das Auswärtige Amt in Berlin aktualisierte derweil seine Reisehinweise für Belarus. Es empfahl, Demonstrationen und größere Menschenansammlungen zu meiden.
Weitere Proteste in Belarus gegen Staatschef Lukaschenko
Martha Wilczynski, ARD Moskau
12.08.2020 13:35 Uhr
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