
Proteste in Belarus Warnschüsse und Festnahmen
Stand: 01.11.2020 21:31 Uhr
Woche für Woche das gleiche Prozedere in Belarus: Die Regierung droht, die Demonstranten kommen trotzdem. Erneut waren es Zehntausende. Die Polizei griff zu harten Mitteln.
Auch dieses Mal haben die aggressiven Drohungen des belarusischen Präsidenten Alexander Lukaschenko nicht gewirkt: Wieder versammelten sich Zehntausende Menschen in Minsk. In großen Gruppen zogen sie durch die Hauptstadt, wie Fotos und Videos im Nachrichtenkanal Telegram zeigten. Eine der Gruppen versammelte sich an der Gedenkstätte Kuropaty am Stadtrand, wo an die Opfer politischer Repression in der Sowjetunion erinnert wird. Die Demonstranten trugen Banner mit Aufschriften wie "Hört auf unsere Leute zu foltern!". Adressiert an Lukaschenko riefen sie in Sprechchören: "Hau ab!".
Bereits kurz nach Beginn der Proteste feuerten Sicherheitskräfte Warnschüsse in die Luft ab. Offizielle Stellen erkärten, es habe sich nicht um tödliche Waffen gehandelt. Die Auch Blend- und Lärmgranaten sollen erneut eingesetzt worden sein. Auf den Straßen waren Uniformierte mit Sturmgewehren zu sehen.
Mehr als 240 Festnahmen
Die zentralen Plätze in Minsk wurden wie jede Woche mit Gittern abgesperrt. Metro-Stationen waren geschlossen, um die Menschen daran zu hindern, zu den Protesten zu kommen. Auch das mobile Internet funktionierte zeitweise nicht. Die Behörden versuchen damit die Kommunikation der Demonstranten zu erschweren.
Wieder wurden zahlreiche Menschen festgenommen, nach Medienberichten auch gewaltsam. Die Menschenrechtsorganisation Wesna sprach am Abend von mehr als 240 Festnahmen, darunter seien auch Journalisten gewesen. Unabhängige Zahlen gibt es nicht. Es seien allerdings deutlich weniger Demonstranten gekommen als am vergangenen Sonntag.
"Friedlich gegen den Terror des Staates"
Seit zwölf Wochen dauern die Proteste nun an. Auslöser war die Präsidentenwahl am 9. August, bei der sich Lukaschenko mit 80,1 Prozent zum Sieger erklären ließ. Die Opposition ist der Ansicht, dass die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja die wahre Gewinnerin der Wahl war. Sie ist ist inzwischen ins Exil in die EU geflohen. Auch vor den aktuellen Protesten meldete sich Tichanowskaja zu Wort und rief zur Teilnahme an dem "Marsch gegen den Terror" auf. Es gehe darum, friedlich "gegen den Terror des Staates zu protestieren", sagte die 38-Jährige.
Druck und Gegegendruck
Lukaschenko hatte am Freitag ein hartes Vorgehen gegen die Demonstranten angekündigt. Wer seine Hand gegen Polizeibeamte erhebe, solle "mindestens seine Hände verlieren". Er habe früh gewarnt, dass rote Linien nicht überschritten werden dürften, sagte der belarusische Präsident.
Aber nicht nur die Regierung schlägt einen schärferen Ton an, auch die Demokratiebewegung weitet ihre Proteste aus. Bereits gestern waren erneut Hunderte Frauen durch die Hauptstadt gezogen. Auch dabei gab es Wesna zufolge Festnahmen. In den vergangenen Tagen kam es auch immer wieder zu punktuellen Streiks in Betrieben. An Universitäten gab es ebenfalls viele Aktionen. Etliche Studierende wurden deswegen exmatrikuliert.
Marsch gegen den Terror
Karla Engelhard, ARD Wien
02.11.2020 07:10 Uhr
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