
Gewalt in Belarus Maas will Sanktionen gegen Lukaschenko
Stand: 21.09.2020 12:22 Uhr
Gewalt gegen friedliche Demonstranten, unzählige Festnahmen: Die Lage in Belarus eskaliert seit Wochen. Außenminister Maas bringt deshalb Sanktionen gegen Staatschef Lukaschenko persönlich ins Spiel.
Bundesaußenminister Heiko Maas hat angesichts der Lage in Belarus Gespräche über EU-Sanktionen gegen Staatschef Alexander Lukaschenko gefordert. "Die Gewalt, die Lukaschenko gegen friedliche Demonstranten ausübt, ist völlig inakzeptabel", sagte Maas zum Auftakt eines Treffens mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. Die EU müsse sich deshalb die Frage stellen, ob nicht Lukaschenko als Hauptverantwortlicher "ebenfalls von der Europäischen Union sanktioniert werden muss".
Bislang war Lukaschenko nicht unter denjenigen Personen, die die EU wegen Wahlfälschungen oder der gewaltsamen Niederschlagung von friedlichen Protesten sanktionieren will. Als Grund wurde genannt, dass Sanktionen gegen Lukaschenko persönlich die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung des Konflikts erschweren könnten und der EU die Möglichkeit nehmen würden, ihren Kurs noch einmal zu verschärfen.
Tichanowskaja: "Legitimität verloren"
Auch die belarusische Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja forderte die EU auf, Lukaschenko mit Sanktionen zu belegen. Sie glaube, dass dies notwendig sei, sagte Tichanowskaja in Brüssel. Sie habe die EU auch gebeten, Lukaschenko offiziell nicht mehr als Präsidenten von Belarus anzuerkennen. Er habe "seine Legitimität in den Augen des belarusischen Volkes" angesichts des Vorgehens nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom 9. August verloren.
Zudem rief sie die EU auf, die belarusische Regierung nicht länger finanziell zu unterstützen. Diese gebe das Geld nur für Gewalt aus. Tichanowskaja war bei der Wahl gegen Lukaschenko angetreten. Die staatliche Wahlkommission erklärte Lukaschenko zum Sieger, Tichanowskaja reiste wenig später nach Litauen aus.
Maas will EU-Sanktionen gegen Lukaschenko prüfen
tagesschau 14:00 Uhr, 21.09.2020, Roman Rusch, ARD Brüssel
Zypern blockiert Entscheidung über Sanktionen
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters wurden am Sonntag 442 weitere Menschen bei regierungskritischen Protesten in Belarus festgenommen, 266 von ihnen in der Hauptstadt Minsk. Trotz der seit Wochen eskalierenden Situation ist noch immer offen, wann die EU die bereits geplanten Strafmaßnahmen überhaupt beschließen kann. Grund ist ein Veto Zyperns, das auf diese Weise die anderen EU-Länder zur Unterstützung neuer Sanktionen gegen die Türkei bewegen will.
Zypern und Griechenland fordern von der EU schon seit Langem, schärfer auf von ihnen als illegal erachtete türkische Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer zu reagieren. Andere EU-Staaten sind allerdings der Ansicht, dass dies laufende Vermittlungsbemühungen von Ländern wie Deutschland erschweren könnte. Sie wollen deswegen noch abwarten, bevor sie neuen, von Zypern vorgeschlagenen Türkei-Sanktionen zustimmen.
1000 russische Soldaten bei Militärübung mit Belarus
Der Vorsitzende des Außenausschusses im Europaparlament, David McAllister, nannte die Vermengung der Belarus- und Türkei-Sanktionen "unglücklich". Eine Entscheidung zu Belarus sei "überfällig, die Sanktionen müssen endlich beschlossen werden", sagte er im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Er hoffe, "dass sich die Minister heute einen Ruck geben".
Unterdessen teilte das belarusische Verteidigungsministerium mit, dass etwa 1000 russische Soldaten an einer gemeinsamen Militärübung in dieser Woche teilnehmen sollen. Russland unterstützt den als "letzten Diktator Europas" bezeichneten Lukaschenko politisch und finanziell. Nachdem sich der 66-Jährige Anfang August mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Wahlsieger hatte erklären lassen, gratulierte ihm Kreml-Chef Wladimir Putin zum Sieg.
Michael Grytz, ARD Brüssel, zu den Beratungen der EU-Außenminister
tagesschau 12:00 Uhr, 21.09.2020
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