
Proteste gegen Lukaschenko Mehr als 200 Demonstranten festgenommen
Stand: 27.09.2020 18:22 Uhr
Sie trotzen Polizeigewalt und Straßensperren: Erneut haben sich in Belarus rund 100.000 Menschen versammelt, um gegen Staatschef Lukaschenko zu protestieren. Laut Innenministerium wurden 200 Demonstranten festgenommen. Soldaten sicherten den Amtssitz.
In Belarus sind laut Schätzungen 100.000 Menschen gegen Staatschef Alexander Lukaschenko auf die Straße gegangen. Laut dem Innenministerium gab es im Zusammenhang mit den Protesten landesweit 200 Festnahmen. Nach Angaben des Menschenrechtszentrums Wesna wurden die ersten 50 Menschen festgenommen, noch bevor sich der Protest formiert hatte. In der Stadt Gomel soll die Polizei Leuchtpatronen und Tränengas eingesetzt haben. Auch Wasserwerfer sollen Berichten zufolge benutzt worden sein. Dass Betäubungsgranaten eingesetzt worden seien, wies das Innenministerium zurück.
Zehntausende protestieren in Belarus gegen Präsident Lukaschenko: Erneut Festnahmen
tagesschau 20:00 Uhr, 27.09.2020, Jo Angerer, ARD Moskau, zzt.Minsk
Soldaten vor dem Präsidentenpalast
Mehrere Plätze im Zentrum der Hauptstadt Minsk waren abgesperrt. Metrostationen und Einkaufszentren, in die sich die Demonstranten bei früheren Kundgebungen vor der Gewalt der Sicherheitskräfte geflüchtet hatten, waren geschlossen. In den Straßen fuhren Wasserwerfer und Panzerfahrzeuge auf, Gefangenentransporter und Hundertschaften der Miliz standen bereit. Das mobile Internet war wie an den vorherigen Protest-Sonntagen gestört.
Am Palast der Republik bezogen Soldaten Stellung. Der Präsidentenpalast war wie eine Festung gesichert, weil die Behörden befürchten, dass Demonstranten den Sitz Lukaschenkos stürmen könnte.
Jo Angerer, ARD Moskau, zzt. Minsk, zu den Protesten in Belarus
tagesschau24 18:00 Uhr, 27.09.2020
"Sweta ist unsere Präsidentin"
Die Beteiligung an den Demonstrationen fiel allerdings deutlich geringer aus als an den vorherigen Wochenenden. Die friedlichen Proteste richteten sich diesmal konkret gegen die international kritisierte sechste Amtseinführung von Lukaschenko am vergangenen Mittwoch. Der 66-Jährige hatte sich in einem weithin als Geheimoperation kritisierten Staatsakt zum sechsten Mal in Folge als Staatschef vereidigen lassen. Die Demokratiebewegung in Belarus, aber auch die EU erkennen ihn nicht mehr als Präsidenten an. Die Demonstranten sehen die 38-jährige Swetlana Tichanowskaja als die wahre Siegerin der Präsidentenwahl am 9. August. "Sweta ist unsere Präsidentin", skandierten die Menschen in der Stadt. Viele riefen auch: "Lange lebe Belarus!" und "Das ist unsere Stadt".
Die Sonntagsdemonstration war - wie schon die Frauenkundgebung am Samstag - Tichanowskaja gewidmet - als "Amtseinführung der wahren Präsidentin durch das Volk". Die Oppositionsführerin, die auf Druck von Lukaschenkos Machtapparat ins benachbarte EU-Land Litauen geflüchtet war, begrüßte den Mut ihrer Landsleute, die trotz brutaler Festnahmen keine Angst zeigten. "Heute ist der 50. Tag unserer Proteste", sagte die 38-Jährige. "Wir sind gekommen, um dieses Regime zu stoppen, und wir tun dies friedlich."
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