Ruslan Stefantschuk und Roberta Metsola

Rede vor dem EU-Parlament Ukraine bittet um EU-Beitrittsstatus

Stand: 08.06.2022 17:48 Uhr

Der ukrainische Parlamentspräsident hat im EU-Parlament für einen schnellen Beitritt zur Europäischen Union geworben. Kiew hofft bereits beim nächsten EU-Gipfel auf den Status eines Beitrittskandidaten.

Von Matthias Reiche, Brüssel

Der Gast aus Kiew wurde von den EU-Parlamentariern im Straßburger Plenarsaal überschwänglich begrüßt. Der ukrainische Parlamentspräsident hatte bereits am 1. März per Video im EU-Parlament gesprochen. Diesmal kam Stefantschuk nun persönlich als eine Art Sondergesandter von Präsident Wolodymyr Selenskyi: 

Ich möchte gar nicht verbergen, dass es meine Aufgabe hier ist, Sie davon zu überzeugen, dass es die Ukraine wert ist, EU-Beitrittskandidat zu werden. Wir wissen, es ist erstmal nur ein Kandidatenstatus, aber wir versichern Ihnen, dass dies Ansporn für weitere Reformen sein wird.

Wir brauchen diesen Kandidatenstatus als Botschaft, dass das, was wir tun, nicht umsonst ist. Aber wenn wir am 24. Juni diese Botschaft nicht erhalten, dann wird das eine Botschaft für Putin sein, dass er einfach weitermachen kann.

Beitrittsstatus beschlossene Sache?

Die EU-Kommission will noch vor dem nächsten EU-Gipfel in zwei Wochen ihre Empfehlung darüber abgeben, ob die Ukraine den Beitrittskandidatenstatus bekommen sollte.

Geht es nach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist dies auch bereits beschlossene Sache. Auch mit der Unterstützung der EU-Abgeordneten kann Kiew fest rechnen, versichert Parlamentspräsidentin Roberta Metsola:

Europa steht an der Seite der Ukraine. Unser Parlament steht an der Seite des ukrainischen Parlaments. Die Europäer haben ihre Grenzen, ihre Häuser und ihre Herzen geöffnet für sechs Millionen ukrainische Flüchtlinge.

Wir haben finanzielle, militärische, politische und humanitäre Hilfe geleistet und wir versichern ihnen, dies auch weiter zu tun. Und das Europäische Parlament wird sie aktiv unterstützen, den EU-Kandidatenstatus zu erhalten.
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Warnung vor Eilverfahren

Hauptargument dabei ist, dass die Menschen in der Ukraine für alle EU-Bürger kämpften. Deutlich in der Minderheit sind inzwischen jene, die vor einem Eilverfahren warnen, weil dies andere Länder brüskieren könnte, denen Brüssel seit Jahren eine Beitrittsperspektive verspricht.

Außerdem sei die Ukraine beispielsweise mit Blick auf die Korruptionsproblematik noch weit davon entfernt, die EU-Kriterien zu erfüllen. Einwände, die der ukrainische Parlamentspräsident Stefantschuk nicht gelten lässt:

Alle Anforderungen, die man an die Ukraine stellt, werden erfüllt werden. Wir werden das sehr schnell und sehr gründlich machen, denn es ist der Weg, für den wir uns entschieden haben. Und es ist der Wille des ukrainischen Volkes.

Und ich gehe davon aus, dass, wenn wir den Kandidatenstatus haben, wir hoffentlich auch einen klaren Fahrplan hin zur Vollmitgliedschaft bekommen.

Alles andere als einig

Auf dem nächsten EU-Gipfel müssten alle 27 Mitgliedsstaaten nun einstimmig über das weitere Prozedere entscheiden. Und auch wenn die Staats- und Regierungschefs in ihren  öffentlichen Statements mit dem Kampf der Ukraine sympathisieren, ist man sich beim EU-Beitritt des Landes alles andere als einig.

Matthias Reiche, Matthias Reiche, ARD Brüssel, 08.06.2022 16:58 Uhr