
Supreme-Court-Kandidatin Barrett beteuert Unabhängigkeit
Stand: 13.10.2020 05:30 Uhr
Noch vor dem Wahltag will der US-Senat eine konservative Juristin am Supreme Court installieren. Die Unabhängigkeit des Gerichts ist wohl längst Utopie - allen Beteuerungen Barretts zum Trotz.
Von Torsten Teichmann, ARD-Studio Washington
US-Senatorin Kamala Harris ist nicht zu sehen. Der Justizausschuss des Senats hat im Hybrid-Modell getagt. Das heißt: Viele Senatoren sind im Saal, andere - so wie Harris - werden zugeschaltet. Einige wenige hatten sich vor Tagen mit Corona infiziert.
Harris, die als Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin antritt, kritisiert: Die Anhörung von Richterin Amy Coney Barrett hätte so kurz vor der Wahl nie beginnen dürfen.
"Die Verfassung der Vereinigten Staaten verpflichtet den Senat, Nominierungen für eine lebenslangen Sitz am Obersten Gerichtshof zu prüfen. Trotzdem treibt die Mehrheit im Senat die Nominierung voran, drückt den Vorschlag von Präsident Trump durch, während bereits gewählt wird."
Anhörung von Richterin Barrett
tagesschau 12:00 Uhr, 13.10.2020, Verena Bünten, ARD Washington
Demokraten: Abstimmung über "Obamacare"
Die Klage ist bekannt. Aber Senatoren und Senatorinnen der US-Demokraten haben den ersten Tag der Anhörung außerdem zu einer Abstimmung über "Obamacare" gemacht.
Überall sind deshalb im Saal Bilder von Menschen zu sehen, die von der Gesundheitsversorgung profitiert haben. Jede demokratische Senatorin, jeder Senator, hatte mindestens ein Beispiel aus seinem Wahlkreis mitgebracht.
"Sie versuchen, den Willen der Wähler zu umgehen"
Die Demokraten werfen den Republikanern vor, die Berufung von Richterin Barrett zu beschleunigen, damit der Oberste Gerichtshof im November mit konservativer Mehrheit die umstrittene Krankenversicherung endgültig kippt.
"Die Republikaner haben schließlich begriffen, dass Obamacare zu beliebt ist, um es im Kongress abzuschaffen. Nun versuchen sie, den Willen der Wähler zu umgehen, in dem der Oberste Gerichtshof ihre schmutzige Arbeit erledigt."
Damit rauben Harris und ihre Parteikollegen den Republikanern ein zentrales Argument. Denn bisher waren es republikanische Senatoren und Senatorinnen, wie Joni Ernst, die warnten, das höchste Gericht werde politischen Interessen geopfert: "Es frustriert mich und meine Mitbürger aus Iowa, dass der Oberste Gerichtshof ein Super-Gesetzgeber geworden ist. Anstelle eines Kongresses, der einfach keinen Kompromiss mehr findet, um seine Arbeit zu machen."
Das politisierte Gericht
Wer benutzt die Anhörung nun politisch? Präsident Donald Trump, der bereits erklärt hat, dass er von der Kandidatin Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsvorsorge und Abtreibung erwartet? Oder die Demokraten, die im Fall eines Wahlsiegs womöglich die Richterbank erweitern wollen, um liberalen Kräften wieder mehr Gewicht zu geben?
Barrett lässt hinter ihrem schwarzen Mundschutz kaum eine Regung erkennen. Bis zu ihrer Erklärung. Sie ahnt wohl, was sie in den kommenden Tagen im Senat erwartet.
"Politische Entscheidungen müssen von den Vertreter der Politik getroffen werden, die von der Bevölkerung gewählt werden und ihr zur Rechenschaft verpflichtet sind. Die Öffentlichkeit kann das nicht von Gerichten verlangen, und Gerichte sollten nicht versucht sein."
Berufung gilt als sicher
Ihre Berufung gilt als sicher, womöglich noch vor der Wahl in drei Wochen. Trumps Republikaner haben die Mehrheit im Senat. Also bleibt Demokraten wie Senator Richard Blumenthal nur noch zu appellieren, sollte der Oberste Gerichtshof die Präsidentschaftswahl entscheiden müssen. "Ich bin ganz offen, ihre Teilnahme an einer Entscheidung zu Donald Trumps Wahl würde unmittelbar die Legitimität des Gerichts und ihre eigene Glaubwürdigkeit beschädigen", sagt dieser. "Sie müssten sich für befangen erklären.
Wie will sie sich in so einer Situation verhalten? Die Frage wird Richterin Barrett in den kommenden Tagen mehrmals vorm Senat beantworten müssen.
Erster Tag der Anhörung von Amy Coney Barrett
Torsten Teichmann, ARD Washington
13.10.2020 07:40 Uhr
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