Sinan Ogan
Porträt

Präsidentenwahl in der Türkei Drittplatzierter Ogan wird zum Königsmacher

Stand: 16.05.2023 17:26 Uhr

Bei der Wahl um das türkische Präsidentenamt war Sinan Ogan der Außenseiter. Für die Stichwahl am 28. Mai gilt er schon jetzt als Königsmacher. Ob er für Kilicdaroglu oder für Erdogan eine Wahlempfehlung ausspricht, knüpft er an Bedingungen.

Von Isabel Gotovac, ARD-Studio Istanbul

Der Mann mit dunklem Bürstenhaarschnitt ist in der türkischen Politik kein Unbekannter. Als im Frühling 2017 das Referendum über die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei bevorstand, war Sinan Ogan einer der schärfsten Kritiker dieses Systems. Immer wieder sprach sich der nationalistische Politiker gegen das drohende "Ein-Mann-Regime" aus.

Seine offene Kritik kostete den MHP-Politiker damals den Job in der Partei. Parteichef Devlet Bahceli ließ Ogan aus der MHP werfen. Ogan, der 2011 erstmals als Abgeordneter der ultranationalistischen Partei ins Parlament eingezogen war, hatte auf einmal keine politische Heimat mehr. Er ließ sich das nicht gefallen, klagte - und kehrte wieder zurück. Im März 2017 wurde er wieder ausgeschlossen.

Mit 5,2 Prozent auf Platz drei

In diesem Jahr macht er sich der breiten Öffentlichkeit bekannt: Am 11. März verkündet der 55-Jährige seine Kandidatur für das Präsidentschaftsamt - als Kandidat der ATA Alliance. Sie besteht aus vier rechtsnationalen Parteien. Um zur Wahl zugelassen zu werden, musste er 100.000 Unterschriften sammeln.

Gegen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu stürzt er sich in den Wahlkampf. Bei der Wahl kommt er auf 5,2 Prozent der Stimmen. Präsident kann er damit nicht werden, dennoch war sein Stimmenanteil höher als angenommen.

Beobachter werten das als frustrierte Reaktion nationalistischer Wähler, die in der zweiten Runde nun wahlentscheidend werden könnten. Bei der Stichwahl am 28. Mai ist Ogan raus, könnte aber zum Zünglein an der Waage werden.  

Ogans rote Linien

Ogan gilt nun als der Königsmacher für die Stichwahlen. Es ist die Frage: Von wem lässt er sich hofieren? Ogan will jetzt mit seinen Mitstreitern das weitere Vorgehen ausloten. Der dritte Mann im Wahlrennen gibt sich verschlossen: "Gegenwärtig sagen wir nicht, dass wir diesen oder jenen Kandidaten unterstützen werden. Wir werden Gespräche führen, uns austauschen und in deren Folge eine Entscheidung treffen."

Für seine Entscheidung in die eine oder andere Richtung oder den einen oder anderen Kandidaten stellt er aber schon jetzt klare Bedingungen: "Wir haben bestimmte rote Linien, etwa den Kampf gegen den Terrorismus und die Rückführung von Flüchtlingen. Wir haben diese Bedingungen schon früher genannt."

Kilicdaroglu auf Stimmen der Kurden angewiesen

Dazu gehört auch, dass die prokurdische islamistische Partei Hüda Par und die prokurdische linke HDP künftig keine entscheidende Rolle mehr in der türkischen Politik spielen dürften. Für Kilicdaroglu ist das eine Bedingung, die er nur schwer erfüllen kann. Er ist auch in der Stichwahl auf die Stimmen der Kurden angewiesen. Die HDP hatte sich bereits vor dem ersten Wahlgang für ihn ausgesprochen.

Und ob Ogan nach seiner Erdogan-Kritik in den vergangenen Wochen eine Wahlempfehlung für den Präsidenten aussprechen wird? Wenn die knapp drei Millionen Ogan-Wähler geschlossen für Erdogan votieren, hat er gewonnen. Entfielen die Stimmen auf die CHP und Kilicdaroglu könnte das ein Machtwechsel in der Türkei bedeuten.

Noch hat sich Ogan nicht festgelegt, erste Gespräche soll es bereits gegeben haben. Mit seiner Wahlempfehlung wird er wohl nicht mehr lange hinterm Berg halten können, der Wahlkampf für die Stichwahl am 28. Mai rollt bereits an.

Isabel Gotovac, ARD Istanbul, tagesschau, 16.05.2023 16:51 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 16. Mai 2023 um 19:48 Uhr.