Touristen laufen über den Grund des trocken gefallenen Poyang-Sees.
Reportage

Dürre in China Zu Fuß durch den Poyang-See

Stand: 19.05.2023 10:34 Uhr

Chinas größter Süßwasser-See, der Poyang, ist auf ein Viertel geschrumpft, der längste Fluss Jangtse führt Niedrigwasser. Ackerbau, Schifffahrt und Tourismus spüren die Folgen, doch der Klimawandel kommt im Alltagsbewusstsein kaum vor.

Zu Fuß dauert es von der Uferpromenade der Stadt Lushan im Norden des Poyang-Sees etwa 20 Minuten, dann ist man auf der Insel Luoxingdun. Über trockenen, rissigen Boden geht es, ab und zu liegt ein toter Fisch auf dem Grund.

Eigentlich sollte die Insel zu dieser Jahreszeit komplett von Wasser umgeben sein. Doch wochenlang haben in Teilen Südchinas Temperaturen von teils über 40 Grad geherrscht - die längste Trocken- und Hitzeperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 60 Jahren.

"In meiner Erinnerung war es noch nie so. Schau mal, die Risse in der Erde", bemerkt Wang Yumei, die mit ihrer Tochter und ihrem Mann aus der etwa 30 Minuten Autofahrt entfernten Stadt Jiujiang gekommen ist.

Die Insel Luoxingdun im Poyang-See ist sonst von Wasser umschlossen - jetzt ist sie mit dem Auto erreichbar.

Die Insel Luoxingdun im Poyang-See ist sonst von Wasser umschlossen - jetzt ist sie mit dem Auto erreichbar.

Aus dem Seegrund werden Wege

Der Poyang-See, Chinas größter Süßwasser-See ist auf ein Viertel seiner ursprünglichen Oberfläche geschrumpft. Deswegen kann man die Insel mit einer Pagode nun sogar mit dem Auto erreichen.

Für Touristen und für Menschen aus der Gegend, wie die 38-jährige Englischlehrerin Wang, ist das eine Attraktion - Folgen sieht sie noch keine.

Auch der Wasserstand des Jangtse-Flusses sei niedriger als in den vergangenen Jahren, sagt sie, "normale Leute" beeinflusse das noch nicht. Vielleicht, überlegt sie, wirke sich das auf die Menschen aus, die vom Fischfang leben?

Erst Flut, dann Dürre

Große Auswirkungen hat die Trockenheit bereits auf die Landwirtschaft. Am Rande eines Reisfelds steht ein junger Landwirt neben einem Rohr, aus dem Wasser in einen ausgetrockneten Bewässerungskanal fließt.

Eigentlich sollten die Reisfelder rund um den Poyang-See unter Wasser stehen. Aber es habe lange nicht geregnet und so seien auch die Äcker trocken gefallen, sagt er: "Jetzt pumpen alle Familien Wasser auf die Felder." Würde es, wie sonst auch, "alle paar Tage" regnen, gäbe es kein Problem.

Ein Bauer in der Provinz Jiangxi (China) schaut auf sein von Dürre gezeichnetes Feld

Welche Pflanzen überstehen die große Dürre - ein Frage, die sich auch dieser Bauer in der Provinz Jiangxi stellt.

Für die Landwirte wird es teuer

Wenige Kilometer weiter sitzt der 65-jährige Wang Lisheng in einem kahlen Wohnzimmer und zupft Baumwolle, die er auf seinem Feld angebaut hat. Seine Frau bereitet am offenen Feuer in einem Nebenzimmer das Mittagessen zu.

Auch Wang muss Wasser mit einer Benzinpumpe auf seine Felder bringen, die sonst durch Wasser aus einem Fluss in der Nähe geflutet werden. Doch dieser sei ausgetrocknet, erzählt er.

Weil Wang Geld für Benzin ausgeben muss, um die Pumpe zu betreiben, rechnet er nicht damit, dass er dieses Jahr etwas verdienen wird: "Wir einfachen Bauern bekommen keine Hilfe von der Regierung", stellt er fest - "nur die großen Landwirte werden unterstützt".

Extremwetter der anderen Art kennt Wang - vor zwei Jahren gab es in der Region ein Hochwasser, in seinem Haus habe es bis unter das Dach gestanden. Dieses Jahr, stellt auch Wang fest, sei es extrem trocken, so eine Trockenheit habe er seit mehr als 40 Jahren nicht erlebt.

Frachtschiffe kaum beladen

Wetterextreme nehmen weltweit zu - auch in China. Die Auswirkungen der Dürre in diesem Jahr für die Landwirtschaft sind noch nicht absehbar. Doch es dürfte schwieriger werden und teurer, die 1,4 Milliarden Menschen in der Volksrepublik mit Lebensmitteln zu versorgen.

Auch die Wirtschaft leidet: Wegen Wasserknappheit in Flüssen sind viele Stauseen leer, es wird weniger Strom durch Wasserkraft erzeugt. In den Landesteilen Sichuan und Chongqing ist der Strom rationiert worden. Mehrere Unternehmen mussten die Produktion drosseln oder zeitweise ganz einstellen. Die Staats- und Parteiführung hat angekündigt, Kohlekraftwerke hochzufahren, um den Wegfall zu kompensieren.

Die "Transportader" wird schmaler und flacher

Vom nördlichen Ufer des Poyang-Sees ist der Jangtse mit dem Auto schnell zu erreichen, Chinas längster und wichtigster Fluss. Links und rechts sind Sandbänke zu sehen.

Immer wieder tauchen Inseln mitten im Fluss auf, die normalerweise unter Wasser sind. Der 6300 Kilometer lange Jangtse ist nicht nur Wasserlieferant für Menschen und Landwirtschaft sowie für die Stromerzeugung, sondern auch eine wichtige Transportader mitten durch China.

Ein Frachtschiff nach dem nächsten fährt Tag und Nacht auf dem Jangtse an der Stadt Jiujiang vorbei. Während hier noch Schiffe fahren können, ist das an anderen Stellen wegen Niedrigwassers nicht mehr möglich.

Die größten Frachtschiffe, die hier fahren, haben eine Kapazität von 10.000 Tonnen, erklärt Wang Xingzeng, der auf einem Touristenschiff arbeitet, das in Jiujiang im Hafen liegt Jetzt müssten sie ihre Beladung um einige Tausend Tonnen reduzieren, um noch sicher durchfahren zu können.

Die Sandbänke wachsen

Etwa 200 Kilometer Flussaufwärts liegt die Millionenstadt Wuhan. An einem Bootssteg werden Fahrgäste mit Sicherheitshinweisen beschallt.

Für umgerechnet 30 Cent kann man in der Stadt, in der die Corona-Pandemie 2019 ausgebrochen ist, mit einer Fähre den Jangtse überqueren. Die Anlegestege liegen komplett trocken. In der Abendsonne haben sich an den deutlich vergrößerten Sandbänken Tausende Menschen versammelt. Kinder spielen im Sand, vor allem Männer schwimmen im Fluss.

Der Jangtse bei Wuhan (China)

Wuhan wächst, und der Jangtse ist die Lebensader der Stadt. Anhaltendes Niedrigwasser trifft die Millionenmetropole und die Wirtschaft hart.

Von Mal zu Mal weniger Wasser

Fan Hu ist gekommen, um durch den Jangtse zu durchqueren - das 22. Mal in diesem Jahr, erzählt der etwa 40-Jährige. Jedes Mal stand das Wasser etwas niedriger.

Forscher weltweit sind sich einig: Der menschengemachte Klimawandel ist schuld an Wetterextremen wie Dürren. China ist der größte Emittent klimaschädlicher Treibhausgase weltweit.

Auf die Frage, ob die chinesische Staats- und Parteiführung genug tut, um gegen den Klimawandel vorzugehen, reagiert der Schwimmer Fan Hu etwas pikiert: Die Erde gehöre der ganzen Menschheit, der Klimawandel sei nicht auf Landesgrenzen oder Ethnien beschränkt. Und China pflanze viel, schütze Wasserquellen, erhalte die ökologische Vielfalt - das sei die Pflicht der ganzen Welt: "Hier geht es nicht darum, was China nicht gut macht oder was der Westen gut macht. Die globale Erwärmung ist kein lokales Problem, sondern ein gemeinsames."

Menschen sitzen in einem flachen Wasserbecken im Flussbett des Jialing-Flusses, eines Nebenflusses des Jangtse, in der südwestchinesischen Stadt Chongqing.

In Chonqing, das vom Jangtse-Nebenfluss Jialing durchflossen wird, sieht es kaum besser aus: Menschen sitzen in der Dämmerung in einem Wasserbecken.

Klimawandel - kein Alltagsthema

Die globale Erwärmung spielt im Alltag der Menschen in China keine große Rolle, wird von den Staatsmedien nur wenig thematisiert. Die chinesische Staatsführung leugnet den Klimawandel zwar nicht, bekennt sich international auch zu Klimazielen, baut aber auch weiter Kohlekraftwerke.

Dieses Jahrzehnt soll der CO2-Ausstoß in China Jahr für Jahr weiter zunehmen. Erst ab 2030 sollen die Emissionen dann zurückgehen. 2060 will China klimaneutral sein.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 30. August 2022 um 12:28 Uhr und 14:25 Uhr.