Bauarbeiter gehen in Doha vor dem Lusail Iconic Stadium entlang, dort soll das Endspiel der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar stattfinden.

WM-Organisationschef Bis zu 500 tote Gastarbeiter in Katar

Stand: 29.11.2022 12:15 Uhr

Bisher war von katarischer Seite im Zusammenhang mit Todesopfern auf WM-Baustellen immer von wenigen verstorbenen Gastarbeitern die Rede. In einem Interview sprach der WM-Organisationschef nun von mehreren hundert Toten.

Der katarische WM-Chef Hassan al-Thawadi hat in einem Interview deutlich mehr tote Gastarbeiter auf WM-Baustellen eingeräumt. Gegenüber dem britischen Sender "Talk TV" sagte er: "Die Schätzung ist bei 400, zwischen 400 und 500. Ich habe die exakte Zahl nicht."

Bisher war in diesem Zusammenhang von Seiten Katars immer von lediglich drei Todesopfern auf Stadionbaustellen und insgesamt 34 Opfern auf allen WM-Baustellen gesprochen worden. Diese neue Angabe liegt also um mehr als das Zehnfache höher, als alles was bisher aus Katar zu hören war.

Im Vorfeld der WM hatte es immer wieder verschiedene Berichte über Todesopfer und unmenschliche Arbeitsbedingungen unter den Gastarbeitenden gegeben. Für großes Aufsehen sorgte im Frühjahr 2021 ein Bericht des "Guardian". Mit Hilfe von Zahlen aus den Heimatländern der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter kam man hier auf mehr als 6500 Tote - und auch diese Zahl war den Angaben nach noch konservativ geschätzt, weil Länder wie Kenia und die Philippinen nicht darin enthalten waren.

Katar sprach in diesem Zusammenhang immer von "erwartbaren Todesfällen" bei der hohen Anzahl an Arbeitskräften, sah aber keinen Zusammenhang mit den harten Arbeitsbedingungen oder mangelndem Arbeitsschutz. Die ehemalige nepalesische Botschafterin in Katar verglich diese mit der Arbeit in einem "offenen Gefängnis".

Arbeiter in Katar

Arbeiten bei über 50 Grad Celsius - für Menschen auf den WM-Baustellen war das die Regel.

Ohne Gastarbeiter keine WM

Auch beim Geld für die ausländischen Arbeitskräfte nahm es der Wüstenstaat offenbar nicht so genau. Immer wieder gab es Berichte über deutlich schlechtere Bezahlung als beim Anwerben versprochen wurde. In manchen Firmen gab es sogar über Monate gar kein Geld. Wer dann dagegen und gegen die schlechten Arbeitsbedingungen protestierte, wurde mitunter einfach des Landes verwiesen.

Zwischenzeitlich lebten mehr als zwei Millionen Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter in dem Land. Sie sollten im autoritären Wüstenstaat den Bau von sieben Stadien, einem Flughafen, sowie Straßen und öffentlichem Nahverkehr durchführen. Das Land selbst zählt nur rund 300.000 gebürtige Katarer. Neun von zehn Einwohnern des kleinen Emirats sind Ausländerinnen und Ausländer.

Anhaltende Kritik sorgte für Reformen

Die anhaltende internationale Kritik führte ab 2020 zu einigen Änderungen für die Gastarbeitskräfte. Ihr Ziel war es, die Arbeitsbedingungen für Migranten zu verbessern. So wurde etwa das so genannte Kafala-Beschäftigungssystem abgeschafft. Dieses System ließ Arbeitgeber unter anderem darüber entscheiden, ob Arbeiter das Land verlassen durften. Außerdem führte Katar auch einen monatlichen Mindestlohn von 1000 Riyal (275 Euro) ein.

Kritiker bemängeln, dass Zusagen nur teilweise umgesetzt worden seien. Besonders im Streit um ausstehende Lohnzahlungen benötigten ausländische Arbeiter mehr Unterstützung.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. November 2022 um 10:00 Uhr in den Nachrichten.