Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu ist im Widerschein von rotem Licht von Einsatzfahrzeigen von Menschen umringt.  | REUTERS

Anschlag in Jerusalem "Israel wird entschlossen reagieren"

Stand: 28.01.2023 11:50 Uhr

Nach dem Angriff in Jerusalem mit sieben Toten hat Israels Regierungschef Netanyahu "sofortige Gegenmaßnahmen" angekündigt. Am Abend soll das Sicherheitskabinett beraten. Bei einem weiteren Angriff im Osten der Stadt heute gab es zwei Verletzte.

Israels Premierminister Benjamin Netanyahu hat nach dem Anschlag nahe einer Synagoge in Jerusalem "sofortige Gegenmaßnahmen" angekündigt. Dafür solle noch am Abend das Sicherheitskabinett zusammenkommen und über Konsequenzen beraten, wie der Regierungschef im israelischen Fernsehen ankündigte.

Ersten Berichten zufolge kam es am Samstag zu einem weiteren Angriff in Ost-Jerusalem, bei dem nach Angaben des israelischen Rettungsdiensts mindestens zwei Menschen verletzt wurden. Ein Schütze habe das Feuer eröffnet, hieß es. Bei den Verletzten handele es sich um zwei Männer im Alter von 23 und 47 Jahren.

Sieben Menschen bei Angriff getötet

Bei dem Attentat vom Freitagabend hatte ein Mann im östlichen Stadtteil Neve Jaakov das Feuer auf Besucher des Abendgebets eröffnet, als diese die Synagoge verließen. Sieben Menschen wurden bei dem Angriff getötet, drei weitere verletzt. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, sollen sich die Verletzten laut Angaben aus dem Krankenhaus in einem stabilen Zustand befinden.

Bei dem mutmaßlichen Attentäter soll es sich um einen 21 Jahre alten Palästinenser handeln, der in Ost-Jerusalem wohnte. Wie ARD-Korrespondent Jan-Christoph Kitzler berichtet, soll es sich um ein Mitglied der Hamas aus dem Flüchtlingslager Shuafat handeln, das nördlich von Jerusalem liegt. Der Tatverdächtige wurde auf der Flucht vom Anschlagsort von Sicherheitskräften erschossen.

Netanyahu warnt vor Selbstjustiz

Netanyahu hatte noch am Freitagabend gemeinsam mit seinem Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, die Siedlung Neve Jaakov besucht. Anschließend betonte der Premier: "Wir werden entschlossen und ruhig handeln." Gleichzeitig rief er die Bevölkerung auf, "das Recht nicht in eigene Hände zu nehmen". Das sei Aufgabe der Polizei und der Armee.

Bislang wurden mindestens 42 Verdächtige festgenommen. Dabei handelte es sich um Verwandte und Nachbarn des Attentäters, wie die Polizei mitteilte. Ob den Festgenommenen zur Last gelegt wird, selbst an dem Anschlag oder dessen Vorbereitung beteiligt gewesen zu sein, blieb offen.

Auch Israels Verteidigungsminister Joav Galant kündigte an, die Regierung werde "entschlossen und energisch gegen den Terror handeln und jeden Beteiligten an dem Anschlag erreichen." Nach Bekanntwerden des Angriffs brach Galant eine private Reise in die USA ab, um nach Jerusalem zurückzukehren.

Forderung nach mehr Bürgern mit Waffen

Nach Angaben von ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann sind die Truppen im Westjordanland und entlang der Sperranlagen, die Israel und das Westjordanland trennen, bereits verstärkt worden. "Der rechtsextreme neue Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, war gestern am Tatort und hat nochmal gefordert, dass mehr Bürger Waffen tragen sollen können, um sich vor solchen Anschlägen zu schützen.“

Wie die Bevölkerung zu solchen Vorschlägen steht, komme sehr darauf an, wen man fragt. Diese Forderung habe es schon häufig gegeben, auch häufiger in extremen Situationen. "Es kam auch häufig vor, dass während solcher Anschläge bewaffnete Menschen Täter stoppen konnten", sagte von der Tann auf tagesschau24. In Israel spiele das Thema Sicherheit eine große Rolle.

Die ultrarechte Regierung unter Netanyahu stehe für einen harten Kurs im Konflikt, erklärte von der Tann weiter. Sie definiere sich über Sicherheit und stehe nun gewissermaßen unter Zugzwang. "Die Situation im Westjordanland ist sehr angespannt. Seit Monaten führt das israelische Militär dort Einsätze durch. Dabei kommt es zu Gefechten und vielen Toten", berichtet sie. Gleichzeitig verliere die palästinensische Autonomiebehörde an Kontrolle. "Radikalere Gruppen gewinnen an Einfluss, besonders unter jungen Palästinensern, die keine Perspektive für sich sehen, sich radikalisieren und gewaltbereit werden."

"Angriff auf die zivilisierte Welt"

International bekundeten Politiker und Staatschefs ihre Anteilnahme nach dem Anschlag und sicherten Israel Unterstützung zu. US-Präsident Joe Biden sprach nach einem Telefonat mit Netanyahu von einem "Angriff auf die zivilisierte Welt". Die USA würden "felsenfest" an der Seite Israels stehen. Zuvor hatte sich bereits US-Außenminister Antony Blinken auf Twitter schockiert über die Tat gezeigt. "Unsere Gedanken sind nach der Terrorattacke in Jerusalem bei den Menschen in Israel", schrieb er.

Auch der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, verurteilte den Angriff per Tweet. Der Anschlag sei ein "übler Terrorakt gegen Juden am Holocaust-Gedenktag".

Eine ähnliche Reaktion kam aus dem französischen Außenministerium, welches in einer Mitteilung von einer "besonders verabscheuungswürdigen" Tat "zur Zeit des Gebets und am Tag des internationalen Gedenkens an die Opfer des Holocausts" sprach. Ebenso betonte UN-Generalsekretär António Guterres, es sei "besonders abscheulich, dass dieser Angriff auf eine religiöse Stätte und am internationalen Holocaust-Gedenktag stattfand". Der britische Außenminister James Cleverly sagte der israelischen Regierung umfassenden Beistand zu.

Freudenfeiern im Gazastreifen und Westjordanland

An mehreren Orten im Gazastreifen und im Westjordanland reagierte die Bevölkerung mit Freudenfeiern auf den Anschlag. In Ramallah im Westjordanland etwa versammelte sich eine große Menschenmenge und schwenkte palästinensische Flaggen, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Im Gazastreifen wurden der Nachrichtenagentur AP zufolge teils Süßigkeiten verteilt, um die Tat zu feiern.

"Das gab es auch in der Vergangenheit schon nach Anschlägen. Es ist insofern nicht ungewöhnlich, das kommt immer wieder so vor", sagte ARD-Korrespondentin von der Tann zu den Szenen. Der arabisch-israelische Knessetabgeordnete Mansour Abbas habe die Anschläge verurteilt.

Hamas bekannte sich zu dem Anschlag

Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas bekannte sich zu dem Anschlag. Es handele sich um einen "Vergeltungsschlag für den Überfall der israelischen Armee auf das Flüchtlingslager Dschenin". Am Donnerstag waren in Dschenin im nördlichen Westjordanland neun Palästinenser bei einem israelischen Militäreinsatz getötet worden, darunter eine ältere Frau. Mehrere der Getöteten sollen der militanten Palästinenserorganisation "Islamischer Dschihad" angehört haben.

Infolge der tödlichen Razzia kam es im Westjordanland teils zu gewaltsamen Ausschreitungen. In der Nacht zu Freitag wurden aus dem Gazastreifen zwei Raketen abgefeuert, die jedoch mithilfe des israelischen Raketenabwehrsystems "Iron Dome" abgefangen werden konnten. Israel reagierte mit Luftangriffen auf Ziele im Gazastreifen.

Über dieses Thema berichteten am 28. Januar 2023 BR24 u.a. um 06:00 Uhr und tagesschau24 um 09:00 Uhr sowie um 10:00 Uhr.