Fumio Kishida | REUTERS
Porträt

Japans designierter Premier Kishida Einer, der zuhören will

Stand: 29.09.2021 15:03 Uhr

Mit Fumio Kishida schickt sich ein erfahrener Außenpolitiker an, Japans neuer Premier zu werden. Er gibt sich als Reformer, der vieles anders machen will, als sein Vorgänger. Vor allem will er zuhören.

Von Peter Hornung, ARD-Studio Neu-Delhi

Fumio Kishida wird als Wahlsieger verkündet - und damit ist der 64-Jährige neuer Vorsitzender von Japans Liberaldemokraten. "Viele in der Bevölkerung waren gegenüber der Politik misstrauisch. Sie glaubten nicht mehr an die Politik", sagt der frisch gewählte Parteichef. "Ich hatte das Gefühl, dass die japanische Demokratie in einer Krise steckt." Aus diesem Krisenbewusstsein heraus habe er kandidiert.

Peter Hornung ARD-Studio Neu-Delhi

Kishida will etwas ändern, das hat er auch in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich gemacht - und die Regierung unter Ex-Premier Shinzo Abe scharf kritisiert: "Dass die Liberaldemokraten weiter so in einer herablassenden Haltung mit der Opposition und dem Volk umgehen, das wird die Partei irgendwann das Vertrauen des Volkes kosten", sagte er vor vier Jahren. "Es wird dann nicht mehr möglich sein, eine ordentliche Politik zu machen."

Notizbücher voller Bürgerhinweise

Eine Warnung, die direkt an die Adresse seines Parteifreundes gerichtet war: Abes neoliberale Wirtschaftspolitik lehnt Kishida seit langem ab. Kishida zählt zur Fraktion der Tauben, also der Gemäßigten, innerhalb der Liberaldemokraten, die den Abe-Anhängern, genannt Falken, gegenüberstehen. Abes Wirtschaftspolitik habe zu einer wachsenden Ungleichheit geführt, vor allem Japans Mittelschicht leide darunter.

Kishida wird als neuer Vorsitzender nun mit großer Wahrscheinlichkeit der nächste Premierminister Japans werden. Schon am Montag könnte er vom Parlament gewählt werden. Wenn er in Verantwortung stehe, wolle er den Menschen genauer zuhören, sagte er jüngst - ein weiterer Seitenhieb auf seine Vorgänger.

"Ich habe in den letzten zehn Jahren fast 30 Notizbücher vollgeschrieben. Darin stehen wichtige Dinge, die mir die Menschen gesagt haben", erzählte er. "Ich höre ihnen aufmerksam zu und werde mein politisches Leben aufs Spiel setzen, um eine neue Politik zu präsentieren."

2016 besuchte Kishida mit Japans damaligem Premier Shinzo Abe (links im Bild) und US-Präsident Barack Obama die Hiroshima-Gedenkstätte (Foto vom 27.05.2016). | picture alliance / dpa

2016 besuchte Kishida mit Japans damaligem Premier Shinzo Abe (links im Bild) und US-Präsident Barack Obama die Hiroshima-Gedenkstätte (Foto vom 27.05.2016). Bild: picture alliance / dpa

Geprägt von Hiroshima 

Teil dieser neuen Wirtschaftspolitik sollen auch umfangreiche Finanzhilfen sein, die der von Corona gebeutelten japanischen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen: "Wir sollten rasch ein Konjunkturpaket in Höhe von mehreren Billionen Yen schnüren und auf den Weg bringen, das sich nicht auf eine bestimmte Branche oder Region beschränkt und je nach Größe des Unternehmens bis zum nächsten Frühjahr reichen kann", kündigte er an.

Japans voraussichtlich nächster Premier ist auch ein erfahrener Außenpolitiker. Er war von 2012 an fast fünf Jahre lang Außenminister - so lange wie kein anderer im Nachkriegsjapan. 2017 war er zudem Verteidigungsminister.

Kishida kommt aus Hiroshima und seine Familie gehört zu denjenigen, die noch lange nach dem Abwurf der Atombombe im August 1945 unter den Spätfolgen litten: Einige seiner Verwandten starben daran. Vor fünf Jahren war er auch als Außenminister mit damaligen US-Präsidenten Barack Obama in Hiroshima. Er führte ihn durch den Friedenspark und erklärte ihm das zentrale Denkmal, die Atombombenkuppel. Dass er für die Abschaffung von Atomwaffen steht, ist da nur konsequent.

Dieser Beitrag lief am 29. September 2021 um 15:22 Uhr auf MDR aktuell.