
Neue rechtsreligiöse Regierung Ist Israels Demokratie in Gefahr?
Einige Aussagen ultra-orthodoxer Politiker lassen befürchten, dass Israels neue Regierung den säkularen Staat abschaffen will. Selbst Staatspräsident Herzog bangt um die demokratischen Werte des Landes.
Es geht hoch her vor der Knesset, dem israelischen Parlament in Jerusalem. Gut hundert Menschen demonstrieren vor der Knesset gegen die künftige Regierung.
Es eint sie die Sorge um ihr Land: "Ich wünsche mir eine bessere Regierung für eine bessere Zukunft in Israel," sagt eine der Protestierenden. "Leider wird diese Regierung in dem Moment, in dem sie Gesetze verabschiedet, die Demokratie in Israel zerstören", sagt ein anderer.
Sogar der Staatspräsident ist besorgt
Israel steht vor einer Zäsur. In Kürze schon wird das Land die am weitesten rechts stehende und religiöseste Regierung bekommen - seit der Gründung des Staates vor fast 75 Jahren. Eine Konstellation, die auch Israels Staatsoberhaupt Isaac Herzog Sorgen bereitet.
Wenn sich israelische Bürger aufgrund ihrer Identität oder ihres Glaubens bedroht fühlten, untergrabe dies die grundlegenden demokratischen Werte Israels, twitterte er am Sonntag.
Der säkulare Staat soll geschwächt werden
Es sind Aussagen einiger ultrareligiöser Politiker, die Herzog und viele andere Israelis um die Demokratie fürchten lassen. In Interviews hatten sie gesagt, dass es Ärzten erlaubt sein sollte, Behandlungen an Mitgliedern der LGBTQ-Gemeinde zu verweigern, wenn dies ihrem religiösen Glauben widerspricht.
Mitglieder der künftigen israelischen Regierung sind offen homophob, rassistisch, illiberal. Und die ultrareligiösen Politiker versuchen scheibchenweise, den säkularen Staat zu schwächen: etwa beim Thema Wehrpflicht, die künftig für religiöse Israelis kaum noch gelten soll. Noch-Ministerpräsident Jair Lapid sieht darin eine klare Benachteiligung nichtreligiöser Israelis:
Wir sind nicht eure Trottel. Wir sind nicht nur hier, um die Steuern zu zahlen und unsere Kinder in die Armee zu schicken. Die Mehrheit des Volkes ist gegen diese Art von Politik.
Demnächst kein Strom am Schabbat?
Das Vereinigte Tora Judentum - die Partei ist ebenfalls in der Regierungskoalition - möchte die Stromproduktion am Schabbat einstellen und mehr geschlechtergetrennte Strände ausweisen. Und die Halacha, die rechtliche Grundlage des Judentums, soll stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung getragen werden.
Viele Israelis sehen darin eine Entwicklung hin zu einem Gottesstaat. Der designierte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sah sich hier genötigt, einiges klarzustellen:
Es gibt und es wird Strom am Schabbat geben. Es gibt und es wird Badestrände für alle geben. Wir werden den Status quo beibehalten. Es wird hier keinen Halacha-Staat geben, sondern einen Staat, in dem für jeden Bürger Israels gesorgt wird.
Wirtschaftspolitik gemäß dem Buch Mose
Doch der Geist ist aus der Flasche und der designierte Finanzminister Bezalel Smotrich vom Bündnis Religiöser Zionismus macht deutlich, was ihn in seiner Amtsführung leiten wird. Nicht der Kapitalismus, auch nicht der Sozialismus: "Eine Wirtschaftstheorie wurde noch nicht ausprobiert", sagt Smotrich und verweist auf das fünfte Buch Mose. Wenn der Staat die Thora und das Judentum fördere, werde Gott ihn mit großem Überfluss belohnen.
Eine ganze Reihe Wirtschaftsvertreter überzeugt das indes nicht. In einem öffentlichen Brandbrief warnen sie vor einer Schwächung der Wirtschaftskraft des Landes. Namhafte Juristen sehen zudem in der geplanten Justizreform eine Schwächung des Rechtsstaates und eine Bedrohung der Demokratie in Israel.