
WM in Almaty Iranische Schachspielerin tritt ohne Kopftuch an
Die iranische Großmeisterin der Frauen, Khademalsharieh, ist bei der Schnellschach-WM in Almaty ohne Kopftuch angetreten. Vom iranischen Regime heißt es, sie habe eigenmächtig an der WM teilgenommen.
Sarasadat Khademalsharieh ist eine junge Frau, die vor allem eines sehr gut kann: Schach spielen. Schon als Mädchen gewann sie internationale Meistertitel. Seit acht Jahren spielt sie in der Bundesliga für den Hamburger Schachclub.
2017 war sie bei der Weltmeisterschaft der Frauen im eigenen Land dabei und erzählte dem Teheraner ARD-Team damals: "Es ist sicherlich ein gutes Gefühl. Beim Schach ist es so, dass viele unserer Spiele gemeinsam mit Jungs stattfinden und die Titel, die die Jungs gewinnen, auch wir holen können. Weder Alter noch Geschlecht ist beim Schach ein Thema. Ich finde, Schach ist ein Sport, in dem man freier sein kann - und das ist ein schönes Gefühl."
Anfang der Woche nun saß die 25-Jährige bei der Schnellschach-Weltmeisterschaft in Almaty in Kasachstan am Tisch, das Schachbrett vor sich. Sie trug die braunen halblangen Haare offen und lächelte in die Kamera. Was fehlte, war das Kopftuch.
Khademalsharieh weiß um das Risiko
Khademalsharieh wirkte konzentriert, aber nicht nervös. Dabei wusste, dass dieser Schachzug abseits des Bretts Folgen haben würde. Denn dass sie ihr Kopftuch nur vergessen hat, ist in diesen Tagen fast ausgeschlossen. Für viele im Iran ist klar: Sie zeigt damit, dass sie zu den Demonstrantinnen und Demonstranten zu Hause steht, sich mit den Protesten, die Mitte September begonnen haben, solidarisch erklärt.
Damit war sie die jüngste Sportlerin, die diesen Weg wählte. Sie folgte beispielsweise der Klettersportlerin Elnaz Rekabi. Auch andere Schachmeisterinnen waren in den vergangenen Jahren ohne Kopftuch angetreten. Sie kehrten danach dem Iran den Rücken. Denn sie wussten: Zu Hause würden sie unter Druck gesetzt - wie Elnaz Rekabi. Diese erklärte schließlich, sie sei aus Versehen ohne Kopftuch an die Kletterwand gegangen.
Regime schreckt vor Sportgrößen nicht zurück
Dass das Regime nicht vor Sportgrößen zurückschreckt, die im Iran oft als Volkshelden gelten, demonstrierte es Anfang der Woche. Es ließ ein Flugzeug mit der Frau und der Tochter der Fußball-Ikone Ali Daei an Bord kurz vor dem Ziel Dubai auf der iranischen Insel Kisch zwischenlanden. Beide mussten aussteigen. Sie kehrten nach Teheran zurück.
Aus dem Kurzurlaub im Ausland, von dem der 53-jährige Daei spricht, wurde nichts. Regimenahe Medien behaupten, die Frau des früheren Nationalspielers und Bayern-München-Profis hätte die Behörden informieren müssen, bevor sie den Iran verlässt, weil sich das Paar mit den Protesten solidarisiert hatte.
Keine iranische Sportlerin darf sich ohne Kopftuch zeigen
Im Fall der Schachmeisterin Khademalsharieh meldete sich der Vorsitzende des iranischen Schachverbandes zu Wort. Sie habe aus freien Stücken und auf eigene Kosten an der WM teilgenommen, erklärte Hassan Tamini laut iranischen Medien. Er zeigte sich überrascht, dass sie kein Kopftuch in Almaty trägt. Bis jetzt habe sie sich immer an die Vorgaben gehalten, wird er zitiert. Die Vorgaben sind: Keine iranische Sportlerin darf sich ohne Kopftuch zeigen, egal ob im In- oder Ausland.
Die spanische Tageszeitung "El Pais" meldete, die 25-jährige Iranerin werde nicht in ihr Land zurückkehren. Nach der WM wolle sie mit ihrem Mann, einem Filmregisseur, und ihrem zehn Monate alten Sohn nach Spanien ziehen. In welche Stadt? Das wolle sie nicht sagen, aus Sicherheitsgründen, heißt es in der Zeitung.