
Ewin-Haftanstalt im Iran Tote und Verletzte nach Gefängnis-Brand
Bei einem Großbrand im berüchtigten Ewin-Gefängnis in Teheran sind laut der iranischen Justiz vier Häftlinge getötet und mehr als 60 verletzt worden. In dem Gefängnis sind politische Gefangene inhaftiert - auch Teilnehmer der jüngsten Proteste.
Bei dem Brand im Ewin-Gefängnis in Teheran sind nach Angaben der iranischen Behörden vier Häftlinge getötet und 61 weitere Personen verletzt worden. Die Umstände wurden von offizieller Seite zunächst nicht weiter geschildert. Menschenrechtsorganisationen hatten bereits in der Nacht Opfer in der berüchtigten Haftanstalt befürchtet.
Ein von Iran Human Rights veröffentlichtes Video zeigte Flammen und eine Rauchwolke über dem Gefängnis, zudem waren offenbar Schüsse zu hören. Im Hintergrund des Videos waren "Tod dem Diktator"-Rufe zu hören. Die Organisation berichtete auf Twitter auch, dass sich zahlreiche Menschen zu Fuß auf den Weg zum Gefängnis gemacht hätten. Ein von Iran Human Rights gepostetes Video zeigte eine von Autos verstopfte Straße und Zufahrten.
Die australisch-britische Wissenschaftlerin Kylie Moore-Gilbert, die selbst im Ewin-Gefängnis saß, sagte, alle Frauen in der Abteilung der politischen Gefangenen seien nach ihren Informationen unversehrt. Was mit anderen Insassen ist, ist unklar.
Nach offizieller iranischer Darstellung soll es sich um einen internen Konflikt in dem Gefängnis gehandelt haben. Die Angaben ließen sich jedoch nicht unabhängig überprüfen. Auf tausendfach in den sozialen Medien geteilten Videos waren chaotische Bilder rund um das Gefängnis zu sehen. Die Gefängnisleitung sagte der iranischen Nachrichtenagentur Irna zufolge, "Hooligans und Randalierer" hätten eine Auseinandersetzung mit den Gefängniswärtern begonnen und dann auch das Textillager der Anstalt in Brand gesteckt. Die Feuerwehr habe den Brand inzwischen gelöscht.
Teherans Staatsanwalt betonte, es handelte sich bei dem Zwischenfall um einen "internen Konflikt im Gefängnis zwischen verurteilten Dieben". Er bestritt einen Zusammenhang mit den anhaltenden systemkritischen Protesten, die sich seit vier Wochen wie ein Lauffeuer im Land ausgebreitet haben.
"Schüsse werden abgefeuert, während Ewin brennt", schrieb der Wissenschaftler Roham Alvandi von der London School of Economics auf Twitter. "Sollten politische Gefangene dort umkommen, wird dies ein Vorfall von den Ausmaßen des 'Cinema Rex'-Brandes in Abadan im August 1978 sein, der den Sturz des Schahs beschleunigt hat."
Bei einem Brandanschlag auf das "Cinema Rex" waren rund 400 Menschen ums Leben gekommen. Der Vorfall am Vorabend der iranischen Revolution löste Proteste gegen den Schah aus, auch wenn die Hintergründe des Anschlags nie aufgeklärt wurden.
Spontane Proteste in deutschen Städten
In Berlin trafen sich kurz nach Mitternacht mehrere hundert Exil-Iraner vor dem Auswärtigen Amt in Berlin-Mitte, um gegen die Zustände im Iran und besonders im Ewin-Gefängnis zu protestieren. Die Demonstranten in Berlin forderten die westlichen Staaten auf zu handeln. Auch in Frankfurt und Hamburg versammelten sich am späten Abend spontan mehrere Menschen vor den iranischen Generalkonsulaten.
US-Außenministerium besorgt
Die USA zeigten sich besorgt über die dramatische Lage im Ewin-Gefängnis. "Wir verfolgen die Berichte aus dem Ewin-Gefängnis mit großer Dringlichkeit", schrieb der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, auf Twitter. "Iran trägt die volle Verantwortung für die Sicherheit unserer zu Unrecht inhaftierten Bürger, die unverzüglich freigelassen werden sollten." In dem Gefängnis sind mehrere US-Bürger inhaftiert.
Die Familie des US-Bürgers Siamak Namazi erklärte in einer Reaktion auf die Berichte von den Unruhen und dem Feuer, sie sei "zutiefst beunruhigt" und habe nichts von Namazi gehört. Die Schwester eines weiteren in dem Gefängnis inhaftierten US-Bürgers schrieb auf Twitter, sie sei "krank vor Sorge".
Menschenrechtler kritisieren die Zustände
Das Ewin-Gefängnis im Norden Teherans gilt als Haftanstalt mit den schlimmsten Bedingungen im Iran. Menschenrechtsgruppen kritisieren die dortigen Zustände schon seit längerem. In dem Gefängnis sitzen zahlreiche politische Gefangene ein.
Auch hunderte bei den Protesten der vergangenen Wochen festgenommene Demonstranten sollen ins Ewin-Gefängnis gebracht worden sein, darunter auch viele Studierende der Teheraner Scharif-Universität. "Sie haben Teheran in ein Gefängnis verwandelt und das Ewin-Gefängnis in eine Universität", sangen kürzlich Studierende, wie in einem Video im Netz zu hören ist.
Auch der ehemalige Nationalspieler Hossein Mahini soll Anfang Oktober im Ewin-Gefängnis in Einzelhaft gesessen haben, nachdem er wegen Solidaritätsbekundungen mit der aufständischen Frauenbewegung festgenommen wurde. Gegen eine Kaution von umgerechnet 30.000 Euro wurde er einem Medienbericht zufolge wieder aus der Haft entlassen.
Die Proteste im Iran gingen am Samstag weiter. Bei einer Demonstration an der Schariati-Universität in der Hauptstadt Teheran riefen Frauen ohne Kopftücher Slogans wie "Die Mullahs sollen sich verziehen!", wie ein im Internet verbreitetes Video zeigte. Weitere Proteste wurden unter anderem aus Isfahan und Kermanschah gemeldet.
Mit Informationen von Karin Senz, ARD-Studio Istanbul