
Erdbeben in Syrien und der Türkei Deutsche Hilfsteams beenden Einsatz
Mehrere Rettungsorganisationen aus Deutschland schließen ihren Einsatz in der Türkei ab. Weitere Hilfe sei aber nicht ausgeschlossen, so das THW. Unter den Vermissten in der Erdbebenregion sind laut Auswärtigen Amt auch Deutsche.
Knapp eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet beenden mehrere deutsche Hilfsorganisationen ihren Rettungseinsatz in der Türkei. Das Technische Hilfswerk (THW) bestätigte, dass sein 50-köpfiges Team sich auf den Heimflug nach Deutschland vorbereite. Die Rückkehr sei für heute geplant.
Die Helfer der Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland (Seeba) waren in der Nacht zum Mittwoch in das Katastrophengebiet geflogen. Weitere Einsätze des THW in der Türkei, bei denen es dann um "andere technische Fähigkeiten geht", seien nicht ausgeschlossen.
Auch das gemeinsame Team von I.S.A.R Germany und der Rettungshundeorganisation BRH wird heute nach Deutschland zurückkehren, wie die beiden Nichtregierungsorganisationen mitteilten. Die Einsatzkräfte der Hilfsorganisation @fire sind bereits seit Sonntag wieder in Deutschland.
NGOs wollen Engagement fortsetzen
"Hinter unserem Team liegt der bislang umfangreichste Auslandseinsatz in der Geschichte der Organisationen", erklärte BRH-Präsident Jürgen Schart. Der Geschäftsführer von I.S.A.R Germany, Michael Lesmeister, lobte die Einsatzkräfte für ihre "großartige Arbeit". Die Helfer hätten "teilweise bis an den Rand der Erschöpfung gearbeitet, um Menschen zu retten".
Die beiden Hilfsorganisationen waren nach eigenen Angaben mit 42 Einsatzkräften und sieben Hunden in Kirikhan in der türkischen Provinz Hatay im Einsatz. Seit vergangenem Montag sei es ihnen gelungen, vier Menschen lebend aus den Trümmern zu retten. Unter ihnen war eine 40-jährige Frau, die nach mehr als 100 Stunden befreit wurde. Sie erlag später ihren Verletzungen.
Beide Organisationen kündigten an, ihr Engagement für die Menschen in der Erdbebenregion fortzusetzen. "Wir werden jetzt prüfen, mit welchen Projekten wir sehr schnell und nachhaltig helfen können", sagten Lesmeister und Schart.
Mehr als 37.500 Tote in Syrien und der Türkei
Die Zahl der Toten ist mittlerweile auf mehr als als 37.500 gestiegen. In der Türkei gebe es inzwischen 31.643 Todesopfer, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf die Katastrophenschutzbehörde Afad. Mehr als 80.000 Menschen wurden demnach verletzt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO beträgt die Opferzahl in Syrien mindestens 5900.
Die Vereinten Nationen befürchten, dass die Zahl der Todesopfer auf etwa 50.000 steigen könnte. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths sagte dem Sender Sky News, die Opferzahl könnte sich "verdoppeln oder mehr". Schätzungen seien aber schwierig.
Deutsche unter den Vermissten
Tausende Menschen werden nach dem Erdbeben noch vermisst - darunter auch Deutsche. "Wir haben aktuell Kenntnis von einer einstelligen Zahl vermisster Deutscher", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Es müsse davon ausgegangen werden, dass unter "den zahlreichen Todesopfern natürlich auch einige deutsche Staatsangehörige sind".
Der Sprecher hob aber hervor, es gebe "dazu noch keine bestätigten Informationen". Dies sei "angesichts der schwierigen Lage vor Ort auch nicht überraschend". Hierbei sei die Situation in Syrien noch einmal schwieriger als in der Türkei.
Nach 176 Stunden gerettet
Trotz der fortgeschrittenen Zeit gibt es immer noch Meldungen über gelungene Rettungen. In der Südosttürkei wurde eine Frau nach 170 Stunden unter Trümmern lebend geborgen. Die Retter holten die 40-Jährige am Morgen in Gaziantep aus der Ruine eines fünfstöckigen Hauses, wie der Staatssender TRT berichtete.
In der Provinz Hatay sei am Morgen eine Frau lebend geborgen worden, berichtete die Tageszeitung "Hürriyet" - eine weitere Person nach 176 Stunden.
EU will Zelte und Decken liefern
Weitere Hilfe erhält die Türkei von der Europäischen Union. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in einem Telefonat die Lieferung von weiteren Zelten, Decken und Heizvorrichtungen zu.
Über das sogenannte EU-Katastrophenschutzverfahren wurden der Türkei schon jetzt 38 Rettungsteams mit 1651 Helfern und 106 Suchhunden angeboten. Zudem hätten zwölf EU-Staaten 50.000 winterfeste Familienzelte, 100.000 Decken und 50.000 Heizgeräte zur Verfügung gestellt. Hinzu kämen 500 Notunterkünfte, 8000 Betten und 2000 Zelte, die die Kommission mobilisiert habe.
Flughafen in Hatay wieder in Betrieb
Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde, Ali Ertan Toprak, warnte indes vor eskalierender Gewalt. "Es macht mir zunehmend Sorgen, dass die Menschen aufeinander losgehen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Viele Ortschaften haben bis heute keine Hilfe erhalten. Deshalb ist die Wut so groß."
Außerdem wurden erste Haftbefehle wegen der Vielzahl zerstörter Häuser erlassen. Die Beschuldigten sollen für Baumängel verantwortlich sein, die den Einsturz der Gebäude begünstigt hätten, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Strafverfolger.
Bei dem Beben wurde auch der Flughafen in Hatay stark beschädigt. So hatte sich etwa der Asphalt der Landebahn zusammengeschoben und war aufgeplatzt. Nun ist der Flughafen wieder in Betrieb. Die Flüge seien wieder aufgenommen worden, teilte die halbstaatliche Fluggesellschaft Turkish Airlines auf Twitter mit. Einwohner des Erdbebengebietes könnten Plätze in kostenlosen Evakuierungsflügen buchen.
Opposition kritisiert Präsident Erdogan
Die Opposition macht die Regierung für den Pfusch am Bau verantwortlich. Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu warf Präsident Erdogan, der seit 20 Jahren an der Macht ist, einmal mehr vor, das Land nicht auf solch ein Beben vorbereitet zu haben.
Er kritisierte zudem, dass die Regierung im Jahr 2018 eine Bau-Amnestie erlassen habe, mit der illegal errichtete Gebäude gegen Strafzahlung im Nachhinein legalisiert worden seien. "Sie haben die Häuser, in denen die Menschen leben, zum Friedhof gemacht und dafür noch Geld genommen", sagte der Oppositionsführer. In der Türkei ist derzeit auch Wahlkampf.