
Nach Erdbeben in Türkei und Syrien USA kündigen millionenschwere Nothilfe an
Mit umgerechnet 79 Millionen Euro wollen die USA Syrien und die Türkei unterstützen. In den dortigen Erdbebengebieten wird weiter unermüdlich nach Überlebenden der Katastrophe gesucht. Die Zahl der Todesopfer liegt nun bei fast 21.000.
Auch vier Tage nach den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist das vollständige Ausmaß der Katastrophe noch nicht einzuschätzen. Zahlreiche Staaten haben Hilfsprogramme auf den Weg gebracht, um Syrien und die Türkei zu unterstützen. Die USA wollen umgerechnet rund 79 Millionen Euro bereitstellen, um Nothilfen für die beiden Länder zu finanzieren.
In dieser Summe enthalten seien auch Hilfsgüter wie Lebensmittel, Notunterkünfte und Medikamente, kündigte US-Präsident Joe Biden auf Twitter an. Damit solle der in den betroffenen Regionen lebenden Bevölkerung geholfen werden, "der Kälte zu trotzen" und "Leben zu retten".
Generallizenz soll reibungslose Hilfe garantieren
Um zu gewährleisten, dass die Hilfe im vollen Umfang in Syrien ankommt, erließ das US-Finanzministerium kurz darauf eine pauschale Generallizenz, die für sechs Monate gültig sein soll, wie der stellvertretende US-Finanzminister Wally Adeyemo mitteilte. Diese soll sicherstellen, dass die Bereitstellung der Nothilfen nicht durch Strafmaßnahmen, die gegen Syrien in Kraft sind, blockiert wird. Nach dem Ausbruch des dortigen Bürgerkriegs hatten sowohl die USA als auch die EU Sanktionen gegen das syrische Regime unter Machthaber Baschar al-Assad erlassen.
Die in Washington D.C. ansässige Weltbank kündigte ebenfalls umfassende Hilfe an: Sie will umgerechnet 1,65 Milliarden Euro an Finanzmitteln zur Verfügung stellen, um die Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen in den Erdbebengebieten zu unterstützen.
Trauerbeflaggung in Deutschland
Auch die EU und Deutschland hatten angekündigt, ihre humanitäre Hilfe für Syrien und die Türkei infolge der Erdbeben aufzustocken. Im Rahmen des EU-Katastrophenschutzes sollen Soforthilfen in Höhe von 6,5 Millionen Euro bereitgestellt werden. Zudem plant die EU Anfang März eine Geberkonferenz, um langfristige Unterstützung auf den Weg zu bringen.
Bei einem EU-Gipfel in Brüssel unterzeichneten die Regierungschefs aller Mitgliedsstaaten einen Brief an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Darin versicherte die EU abermals versicherte, sie werde angesichts dieser "Tragödie" mit "voller Solidarität" an der Seite der Türkei und Syriens stehen.
Deutschland will seine Mittel um 26 Millionen Euro aufstocken, wobei der Großteil der Summe in Hilfsfonds der Vereinten Nationen fließen soll. Als symbolisches Zeichen der Anteilnahme sollen heute an den obersten Bundesbehörden in Berlin und Bonn Flaggen auf halbmast hängen. Mehrere Bundesländer kündigten ebenfalls Trauerbeflaggung an öffentlichen Gebäuden an.
Zahl der Todesopfer steigt auf fast 21.000
In Syrien und der Türkei ist die Zahl der Menschen, die infolge der schweren Beben ums Leben gekommen sind, mittlerweile auf fast 21.000 angestiegen. Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay sprach am Morgen von mindestens 17.664 Todesopfern und fast 72.879 Verletzten in den türkischen Erdbebenregionen. In Syrien wurden bisher mehr als 3300 Tote registriert.
Doch noch immer können Rettungskräfte Überlebende aus den Trümmern retten, obwohl die Überlebenschancen von Verschütteten nach bereits 72 Stunden rapide sinken. In der türkischen Provinz Kahramanmaras konnte einem Bericht der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge nach 89 Stunden ein fünf Jahre altes Mädchen aus dem Schutt befreit werden. In der Provinz Hatay sei nach 88 Stunden die Rettung einer Zweijährigen gelungen. Und aus der Stadt Gaziantep berichteten Medien, dass nach 94 Stunden ein 17-Jähriger gerettet werden konnte. Der Jugendliche berichtete selbst, er habe seinen eigenen Urin getrunken, um unter den Trümmern zu überleben.
Insgesamt sind in der Türkei bislang mehr als 8000 Menschen gerettet worden, die unter Trümmern verschüttet gewesen waren, teilte Vizepräsident Oktay weiter mit. Mehr als 100.000 Helfer seien bei der Suche in den Erdbebenregionen im Einsatz. 75 Länder weltweit hätten Rettungsteams zur Unterstützung entsandt. In der Türkei gilt in diesen Gebieten für drei Monate ein Ausnahmezustand. Am Donnerstagabend hatte das Parlament des Landes entsprechenden Plänen von Erdogan zugestimmt.
Schwieriger Zugang in Nordsyrien
Im syrischen Grenzgebiet ist die Situation in den von Rebellen kontrollierten Regionen besonders kritisch. Hilfsgüter gelangen lediglich über einen Grenzübergang von der Türkei aus in die betroffenen Gebiete im Norden des Landes. Am Donnerstag trafen im Nordwesten Syriens sechs Lastwagen mit Hilfsgütern der Vereinten Nationen ein. Allerdings berichteten Aktivisten, es handele sich um Hilfslieferungen, die schon vor dem Erdbeben geplant waren. Dringend benötigte Hilfsgüter seien deshalb nicht angekommen, stattdessen wurden Güter wie etwa Waschmittel geliefert.
Zudem kursieren Berichte, die syrische Regierung unter Machthaber Baschar al-Assad würde bei der Verteilung von Hilfsgütern die Rebellengebiete übergehen.
Die Vereinten Nationen appellierten an das Regime, Helfern und Hilfsgütern den Zugang in die von den Rebellen kontrollierten Regionen zu gewähren. UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte, weitere Grenzübergänge zu öffnen. "Straßen sind zerstört. Menschen sterben. Jetzt ist es an der Zeit alle verfügbaren Zugänge zu erschließen, um Hilfe und Helfer in die betroffenen Gebiete zu bringen."
Verwandte in Deutschland wollen Überlebende aufnehmen
In Deutschland setzen sich mehrere Abgeordnete in Bund und Ländern dafür ein, Überlebende kurzfristig unbürokratisch bei Verwandten unterkommen zu lassen, wenn diese für den Lebensunterhalt ihrer Angehörigen aufkommen. "Ich selbst habe mehrere Anfragen von Menschen in Deutschland erhalten, die gern ihren Angehörigen ohne Obdach helfen möchten", sagte der Vizechef der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Macit Karaahmetoglu. Das Auswärtige Amt teilte mit, dass türkische und syrische Staatsangehörige auch nach dem Erdbeben für eine Einreise nach Deutschland ein Visum benötigten.