Ein Mann sitzt auf den Trümmern eines zerstörten Hauses in der syrischen Stadt Atareb.

Syrisches Erdbebengebiet Unendliches Leid

Stand: 18.02.2023 03:45 Uhr

Zwar erlaubt die syrische Regierung um Machthaber Assad auf Drängen der Vereinten Nationen inzwischen mehr Hilfstransporte, und die ersten Konvois sind auch angekommen. Doch die Not ist überwältigend.

Ein Konvoi aus 15 Lastwagen erreicht die Stadt Afrin im äußersten Nordwesten Syriens. Auf den Ladeflächen: Zelte, Weizen und medizinische Hilfsgüter, gespendet vom Roten Halbmond in Katar. Die Spende kam per Luftfracht in die Türkei und von dort per Lkw über die Grenze in die umkämpfte Stadt Afrin. 

Afrin wird seit fünf Jahren von einer islamistischen Miliz gemeinsam mit der türkischen Armee kontrolliert. Doch jetzt überschattet das Erdbeben den Bürgerkrieg.

Die Seuchengefahr wächst

Ein Journalist der Nachrichtenagentur Reuters ist in Afrin dabei, Mohamed Salah Ibrahim aus Katar begleitet den Transport: "Viele Menschen sind verletzt, sie müssen medizinisch versorgt werden. Unser Konvoi hier hat alles dabei, um Erste Hilfe zu leisten. Und wir bringen Ausrüstung mit, um mobile Gesundheitsstationen einzurichten."

Das ist dringend nötig, denn im syrischen Erdbebengebiet breiten sich Krankheiten aus, auch Cholera, die Seuchengefahr wächst.

In den Ruinen der zusammengestürzten Häuser werden noch Menschen vermisst. Tausende Obdachlose harren in Lagern aus und warten auf Hilfe - wie Abu Osama in der Kleinstadt Dschindires, südlich von Afrin: "Es gibt hier nicht genug Kissen und Decken. Von allem ist zu wenig da", beklagt er. "In jedem Zelt müssen drei Familien leben; überall sind sehr viele Kinder. Wir bekommen zu wenig Hilfe. Bitte helft uns und helft allen, die von diesem Erdbeben heimgesucht wurden."

Hilfe nicht koordiniert

Inzwischen ist zwar Hilfe unterwegs, aber nicht genug und nicht koordiniert. Mehr als hundert Flugzeuge voll mit Hilfsgütern sind mittlerweile in Syrien angekommen, vor allem aus anderen arabischen Ländern. Aber diese Hilfe erreicht vor allem die Erdbebenopfer in dem Gebiet, das die syrische Regierung kontrolliert, etwa die Städte Aleppo oder Latakia.

In Idlib oder Afrin aber, auf der anderen Seite der syrischen Frontlinie, kommt bislang offenbar weniger an.

Und als wäre die Not nicht groß genug, flammten im Erdbebengebiet nun die Kämpfe wieder auf. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London berichtet, dass syrische Regierungstruppen mehrere Granaten auf das Rebellengebiet abgefeuert hätten, direkt neben der Stadt Atareb, die nach dem Erdbeben voller Trümmer liegt.

Privtatleute organisieren Hilfe

Dennoch: Auch in Syrien organisieren Privatleute Hilfe und versuchen trotz aller Straßensperren und Frontlinien, ihre notleidenden Landsleute zu erreichen.

Achmed Al-Abdallah hat im Osten Syriens, wo das Erdbeben kaum Schäden anrichtete, einen Konvoi mit 48 Lastwagen zusammengestellt und über mehrere hundert Kilometer in den Norden Syriens begleitet:

Diese Hilfsgüter wurden von Familien in Deir Ezzor gesammelt - für unsere Brüder und Schwestern in Nordsyrien. Wir fühlen mit ihnen und wir übergeben ihnen jetzt unsere Spenden. Es sind Spenden von unseren Leuten für unsere Leute.

Die Hilfsbereitschaft ist groß. Aber die Not ist größer. Wir brauchen noch viel mehr Hilfe, sagt Abu Osama aus der zerstörten Kleinstadt Dschindires im Nordwesten Syriens. "Wir sind erschöpft, wir können nicht mehr", sagt er. "Viele haben ihr Haus verloren. Und hier sind Familien, die haben ihre Kinder verloren. Es ist tragisch. Wir hoffen auf Hilfe aus Nachbarländern, damit uns hier in dieser schlimmen Lage jetzt im kalten Winter geholfen wird."

Thomas Bormann, Thomas Bormann, SWR, zzt. Kairo, 18.02.2023 06:34 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. Februar 2023 um 06:25 Uhr.