Eine Menschenmenge in Peking. | AP
Kommentar

Chinas Corona-Politik Von vornherein eine Illusion

Stand: 28.12.2022 13:02 Uhr

Drei Jahre nach Ausbruch der Pandemie will Chinas Regierung seine Landesgrenzen öffnen. Der Schritt ist überfällig - und belegt sowohl das erneute Scheitern der Null-Covid-Politik als auch der Kommunistischen Partei.

Ein Kommentar von Steffen Wurzel, SWR

China macht die Grenzen wieder auf: Ab dem 8. Januar soll die Quarantäne für Einreisende wegfallen, die Visa-Vergabe wird gelockert, auch wird chinesischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern das Reisen wieder erleichtert. Seit dem Höhepunkt der Corona-Pandemie im März 2020 war das Reisen von und nach China für die meisten weitgehend unmöglich. Mit erheblichen Folgen: Chinas wirtschaftlicher Austausch mit dem Ausland kam weitgehend zum Erliegen.

Mehr Nationalismus, mehr Abschottung

Dienstreisen in die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt waren und sind bisher, wenn überhaupt, nur mit enormem planerischen und finanziellen Aufwand möglich. Auch politische Delegationen sind seit Frühjahr 2020 kaum noch nach China gereist - vom kulturellen, wissenschaftlichen und studentischen Austausch ganz zu schweigen. All das hat den Nationalismus in China spürbar verstärkt, außerdem die Abschottungspolitik der Staats- und Parteiführung.

Die nun sehr abrupt verkündete Lockerung der Einreisebestimmungen ist ein weiteres Eingeständnis des Scheiterns der chinesischen Null-Covid-Politik. In den vergangenen knapp drei Jahren haben Xi Jinping und seine kommunistische Führung den Menschen in der Volksrepublik und darüber hinaus weismachen wollen: 'Schaut her: Während in demokratisch regierten Staaten weitgehend Corona-Chaos herrscht, geht in China dank der Null-Covid der Kommunistischen Partei das Leben weiter wie vor der Pandemie.'

Gesundheitssystem bleibt unterentwickelt

Dass diese von vornherein falsche Illusion spätestens mit Aufkommen der hochansteckenden Omikron-Variante nicht mehr zu halten sein würde, war spätestens Anfang dieses Jahres klar. Doch es dauerte bis Anfang Dezember, bis Chinas Führung die gescheiterte Null-Covid-Politik beendete, angesichts außer Kontrolle geratener Infektionszahlen und katastrophaler Wirtschaftsdaten. Obendrauf kamen noch die landesweiten Proteste.

Erschreckend ist, dass die Führung in Peking die Zeit der Null-Covid-Politik nicht genutzt hat, um das in weiten Bereichen völlig unterentwickelte Gesundheitssystem des Landes auf Vordermann zu bringen. Versagt hat die Staatsführung offensichtlich auch beim Thema Impfen: Sie hat es versäumt, den älteren Teil der Bevölkerung hinreichend zu immunisieren.

Schönreden und vertuschen

Jetzt sterben auch in China viele Menschen an Corona, obwohl es vermeidbar gewesen wäre. Wie häufig wird in der Volksrepublik vertuscht und schöngeredet: Weil autokratische Systeme nicht in der Lage und Willens sind, transparent mit Fehlern und Missständen umzugehen.

Infektions- und Todeszahlen, die fehlende Versorgung mit Medikamenten und Intensivbetten - all das wird in der öffentlichen Debatte in China einfach ausgeblendet. Stattdessen wird den Menschen suggeriert, alles sei bald wieder in bester Ordnung.

Die Erzählung der chinesischen Staatsführung, wonach das politisch-gesellschaftliche System der autokratisch regierten Volksrepublik dem der westlichen Demokratien überlegen sei, ist mit dem Scheitern der Null-Covid-Politik erneut widerlegt.

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Über dieses Thema berichtete NDR Info am 28. Dezember 2022 um 03:15 Uhr.