Mitarbeiter und Angestellte des Gesundheitswesens tragen Schutzanzüge in einem Wohnkomplex in Peking (China).

Corona-Herbst China setzt weiter auf "Null Covid"

Stand: 20.10.2022 10:18 Uhr

China bereitet sich auf eine neue Corona-Welle vor. Die Strategie bleibt "Null Covid". Lockdowns sind Alltag. Die Menschen und die Wirtschaft macht das müde.

Von Eva Lamby-Schmitt, Shanghai

In Shanghai werden die Menschen in ihren Stadtvierteln mit Megafonen zum Corona-Massentest gerufen. Die Pandemiehelfer in weißen Schutzanzügen gehen wieder durch die Straßen, um von jedem Einzelnen vor der Haustür einen Abstrich für einen PCR-Test zu machen. Ähnlich wie im Frühjahr vor dem großen Lockdown sind in der Millionenstadt wieder Tausende Menschen in ihren Häusern eingesperrt. Nicht nur, weil sie etwa enge Kontaktpersonen sind, sondern als Vorsichtsmaßnahme.

Jegliche Ausbrüche des Coronavirus sollen eingedämmt und möglichst verhindert werden. So hält es die chinesische Staats- und Parteiführung seit Beginn der Pandemie. Und sie hat nicht vor, das zu ändern. Lockdowns, Massentests und Reiseverbote sind an der Tagesordnung. Vor allem dann, wenn die Behörden wegen einzelner Corona-Fälle nervös werden wie in Shanghai. Dort sind zuletzt nach offiziellen Angaben zehn Neuinfektionen gemeldet worden.

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Plötzliche Abriegelungen in Shanghai

Für viele Shanghaier wie Lai Sili sind die strengen Maßnahmen nicht mehr nachvollziehbar. Sie besitzt eine Bar in Shanghai: "Kleine Geschäftsinhaber wie wir fühlen sich alle sehr hilflos. Klar, wenn Richtlinien und Anweisungen nachvollziehbar sind, werden wir uns daran halten. Aber es ist schon zweimal vorgekommen, dass ich gerade zur Arbeit gehen wollte und ich eine Nachricht bekommen habe, dass die Bar geschlossen bleiben muss, und das ohne ersichtlichen Grund, einfach auf Anordnung."

Bei rotem Code "ist das Leben vorbei"

Auch Li Lina ist wiederholt von Abriegelungen betroffen. Erst vergangene Woche wieder. "Wir konnten rechtzeitig aus dem Gebäude fliehen, bevor es dicht gemacht wurde, sagt Li Lina, "aber am Ende wurde ich als Kontaktperson einer Kontaktperson eingestuft. Der Code in meiner Corona-App wurde rot, und ich konnte in keinem Hotel übernachten." Deshalb musste sie doch nach Hause und war dort mehrere Tage lang eingesperrt. "Wenn du einen roten Code hast, darfst du nirgendwo hingehen und nichts tun. Du darfst nicht einmal an den Corona-Tests teilnehmen. Sobald dein Code rot wird, ist dein Leben vorbei."

Offizielle Zahlen darüber, wie viele Menschen in China in ihren Häusern und Wohnungen eingesperrt sind, gibt es nicht. Schätzungen reichen von 30 bis 200 Millionen Menschen, die sich in einer Art Lockdown befinden. Auch die Wirtschaft leidet zunehmend darunter.

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Niedrige Todeszahlen als Rechtfertigung

Staats- und Parteichef Xi Jinping ließ in seiner Auftaktrede zum 20. Parteitag der Kommunistischen Partei keinen Zweifel daran, dass die Volksrepublik auch in Zukunft an der strikten Null-Covid-Strategie festhalten wird, entgegen manchen Hoffnungen, der Parteitag könnte eine Wende sein. "Angesichts der plötzlichen Covid-19-Pandemie haben wir die Menschen und das Leben der Menschen an erste Stelle gesetzt und uns fest an die dynamische Null-Covid-Politik gehalten", sagt Xi Jinping. "So führen wir den Kampf gegen die Pandemie, um das Leben und die körperliche Gesundheit der Menschen so gut wie möglich zu schützen."

Die chinesische Staats- und Parteiführung begründet die Null-Covid-Strategie vor allem damit, Menschenleben zu retten. Nach offiziellen Angaben der chinesischen Behörden sind in China seit Beginn der Pandemie etwas mehr als 5.200 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Zum Vergleich in Deutschland mehr als 150.000. Vor allem solche Vergleiche mit Fall- und Todeszahlen aus dem Ausland zieht die Volksrepublik heran, um das eigene System als das Überlegene zu rechtfertigen.

Viele Ältere in China nicht geimpft

Außerdem sind in China viele ältere Menschen gar nicht oder nicht ausreichend gegen das Coronavirus geimpft. Auch das ist ein Grund für die chinesische Staats- und Parteiführung, die Maßnahmen nicht zu lockern. Große Impfkampagnen gibt es allerdings auch nicht im Land. Kritik gibt es vor allem von internationaler Seite. Die Europäische Handelskammer in China fordert mehr Impfungen und den Zugang zu mRNA-Impfstoffen in China, denn diese sind in der Volksrepublik nicht zugelassen.

Die Weltgesundheitsorganisation hatte bereits im Frühjahr kritisiert, die Maßnahmen in China müssten sich anpassen. Es sei bereits mehr über das Virus bekannt als seit Beginn der Pandemie. Außerdem hat sich das Virus weiterentwickelt, ist zwar ansteckender, aber weniger tödlich geworden. In China selbst gibt es kaum Gegenstimmen zur Meinung der Staats- und Parteiführung. Virologen, die einst als kritisch galten, sind aus der Öffentlichkeit verschwunden.

In einem ARD-Interview über Chinas schwächelnde Wirtschaft unter den Corona-Maßnahmen sagt Victor Gao, ein Jurist und viel zitiertes Gesicht in den chinesischen Staatsmedien: "Der Umgang mit der Corona-Pandemie muss so schnell wie möglich wissenschaftlicher und rationaler werden. Die negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft müssen minimiert werden. Ansonsten wird Chinas Wirtschaft unter großen Druck geraten, und der Preis wird noch höher sein."

Eva Lamby-Schmitt, Eva Lamby-Schmitt, ARD Shanghai, 20.10.2022 08:48 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 20. Oktober 2022 um 09:50 Uhr.