Das brennende Gebäude der Hashem-Fabrik für Getränke und Lebensmittel in Bangladesch

Brandkatastrophe in Bangladesch "Sie war die Hälfte meines Herzens"

Stand: 12.07.2021 06:38 Uhr

Versperrte Fluchtwege, brennbare Materialien: Das Feuer in einer Fabrik nahe Dhaka war eine Katastrophe mit Ansage. Mindestens 52 Menschen starben - vor allem Kinder und Jugendliche.

Tithi hatte einfach Glück. Sie hat überlebt. "Ich hab im sechsten Stock gearbeitet. Ein Junge in meinem Alter sagte, dass es im Erdgeschoss brenne", sagt sie. "Aber da war es durch den Rauch schon überall dunkel. Der Junge rief, wir sollen mit ihm nach oben, um unser Leben zu retten. In dem Moment sah ich noch, dass die Tür von der Fabrikleitung verschlossen wurde."

Die Zwölfjährige schaffte es mit 24 anderen hoch aufs Dach, die Feuerwehr konnte sie retten - mit einer Leiter. Doch viele andere Kinder hatten dieses Glück nicht. Sie kamen in dem Feuer um. 52 Tote wurden bisher gezählt. Wie viele Kinder gestorben sind, ist bislang nicht bekannt. Die Löscharbeiten dauerten das ganze Wochenende an.

Die Leichen, die mittlerweile aus dem Gebäude geholt wurden, sind bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Nur mit DNA-Analysen wird man feststellen können, wer sie sind. Es könnte Labannya dabei sein, die Tochter von Mohammad Laltu. "Sie war meine jüngste Tochter und diejenige, die ich am meisten liebte", sagt der Vater. "Sie war die Hälfte meines Herzens. Mein Herz war voll mit Liebe für sie. Ich bin vollkommen sprachlos."

Feuerwehrleute löschen in einer ausgebrannten Fabrik in Bangladesch letzte Glutnester in den verkohlten Trümmern.

Die Löscharbeiten in der Fabrik zogen sich über mehrere Tage hin.

"Sie konnten sich nicht helfen"

Seit gut einem Monat habe die 14-Jährige in der Fabrik gearbeitet, sagt er. Acht Stunden am Tag, manchmal zwölf. Für umgerechnet 75 Dollar im Monat. Nicht ungewöhnlich in Bangladesch, wo viele Kinder armer Familien zur Arbeit in Fabriken geschickt werden. Mohammad Laltu war gleich zu dem Gebäude geeilt, als er erfuhr, dass es brannte. "Das Feuer brach im Erdgeschoss aus. Meine Tochter war an diesem Tag in der Nudelherstellung beschäftigt. Als es ausbrach, eilten sie zum Tor, um nach oben zu fliehen, aber es war von innen verschlossen und sie konnten nirgends hin. Andere schafften es irgendwie, aber meine Tochter und die anderen, die bei ihr waren, nicht, da die Tür verschlossen war", so Laltu. "Ich hörte, dass viele der kleinen Arbeiterinnen schrien. Manche riefen ihre Eltern an. Einige von ihnen sprangen aus dem Fenster, einige wurden bewusstlos und fielen herunter. Sie konnten sich nicht helfen. Als wir sahen, wie verheerend das Feuer ist, wurde uns klar, dass alle verloren sind."

Der Brand war in dem sechsstöckigen Gebäude schon am Donnerstagabend ausgebrochen, war jedoch nur schwer zu löschen, sagt der leitende Feuerwehrbeamter, Debashish Bardhan, stellvertretender Direktor, Hauptquartier der Feuerwehren und des Zivilschutzes "Es ist ein Unternehmen, das Lebensmittel und Getränke herstellt. Zur Verpackung dieser Produkte werden verschiedene Arten von Folien verwendet. Es gibt hier viel entzündliches Material wie Polyethylen, Chemikalien und so etwas. Deshalb hat es so lange gedauert, bis wir den Brand unter Kontrolle hatten."

Fabrikbesitzer festgenommen

Wie es scheint, hat das Unternehmen gegen Brandschutz- und Bauvorschriften verstoßen. Keine Seltenheit in Bangladesch. Die Regierung setzte umgehend eine Untersuchungskommission ein. Mirza Azam ist ihr Leiter. "Wir haben erfahren, dass die meisten Opfer in einem einzigen Stockwerk starben. Diese Etage war von innen verschlossen", so Azam. "Wir werden die Person, die für diese Aktion verantwortlich ist, ausfindig machen und sie vor Gericht stellen. Und wir werden untersuchen, ob beim Bau des Gebäudes irgendwelche Vorschriften missachtet wurden. Unsere Behörden werden sich auf jeden Fall damit befassen."

Am Samstagmorgen wurden der Fabrikbesitzer und sieben seiner Mitarbeiter festgenommen, der Vorwurf: Mord. Vier Tage langen sollen die Beschuldigten verhört werden. Es werde dabei auch um die Kinderarbeit gehen, sagt Kommissionsleiter Azam. "In der Fabrik arbeiteten auch Kinder, ja. Diejenigen, die diese Kinder beschäftigt haben, sollten vor Gericht gestellt werden. Im Moment wissen wir nicht genau, wie viele Kinder. Aber das wird die Untersuchung feststellen."

Suma Rani Barman weint, denn auch ihre Tochter Kampa war in der Fabrik. Und sie ist verbittert. "Ich will nicht die Leiche meiner Tochter haben. Wenn die Sicherheitsleute der Fabrik sich mehr bemüht hätten, hätten sie meine Tochter retten können", sagt sie. Ihr Mann Porba, ein Fischer, ist ebenso verzweifelt. Und er macht sich Vorwürfe, dass er die 14-Jährige hat arbeiten lassen. "Meine Tochter kann nichts dafür. Nun mögen mir die Leute vorwerfen, dass ich ihr das erlaubt habe, damit sie Geld verdient. Aber ich hätte ihr das nie erlaubt, wenn ich gewusst hätte, wie gefährlich es ist."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. Juli 2021 um 18:27 Uhr.