Ein Blumenmeer vor der Robb Elementary School, in der ein Attentäter im Mai 19 Kinder tötete.

Nach Amoklauf in Uvalde Video lässt Kritik an Polizei wachsen

Stand: 13.07.2022 19:46 Uhr

Sieben Wochen nach dem Schulmassaker in der texanischen Kleinstadt Uvalde sorgen Bilder einer Überwachungskamera für Empörung: Sie zeigen, dass Polizisten offenbar 74 Minuten zögerten, ehe sie den 18-jährigen Angreifer erschossen.

Es sind verstörende Aufnahmen, die der texanischen Zeitung "Austin American-Statesman" und dem lokalen Fernsehsender KVUE zugespielt wurden. Zu sehen ist, wie der Angreifer von Uvalde am 24. Mai um 11:33 Uhr die Robb Elementary School betritt und zunächst seelenruhig mit seinem Sturmgewehr durch die leeren Gänge läuft. Dann betritt der 18-Jährige eines der Klassenzimmer und eröffnet das Feuer. Zu hören sind Dutzende Schüsse.

Nur drei Minuten später sind dann die ersten eintreffenden Polizisten zu sehen. Einige von ihnen nähern sich dem Klassenzimmer, in dem sich der Schütze aufhält - rennen aber den Flur zurück, als der 18-Jährige erneut schießt. In der Folge treffen immer mehr teils schwerbewaffnete Polizisten ein, ohne aber den Angreifer zu konfrontieren. Die Beamten wirken ratlos und unschlüssig. Um 12:30 Uhr ist sogar zu sehen, wie ein Polizist sich an einem Desinfektionsmittelspender bedient und das Mittel in seine Hände reibt.

"Alle Polizisten stehen da einfach rum"

Erst um 12:50 Uhr, 74 Minuten nach dem Eintreffen der ersten Polizisten, stürmen die Einsatzkräfte den Klassenraum und erschießen den Angreifer. "All diese Polizisten mit ihren Schutzschilden, mit ihren Waffen, mit ihren schusssicheren Westen, stehen da einfach nur rum", sagt Daniel Valdez, ein Anwohner von Uvalde, der das Video gesehen hat.

Die Sicherheitskräfte sind wegen ihres Vorgehens bei dem Schulmassaker, bei dem 19 Kinder und zwei Lehrerinnen erschossen wurden, bereits massiv in die Kritik geraten. Rund einen Monat nach dem Blutbad warf der Chef der texanischen Sicherheitsbehörden, Steven McCraw, den Polizisten vor Ort "klägliches Versagen" vor. Der Einsatzleiter habe das Leben der Beamten über das Leben der Kinder gestellt.

US-Polizisten werden eigentlich darin ausgebildet, bei Schulmassakern den Angreifer so schnell wie möglich auszuschalten, um weitere Opfer zu verhindern. Die nun veröffentlichten Videoaufnahmen sorgten für neue Empörung. Bei einer Bürgerversammlung am Dienstagabend machten Anwohner und Angehörige ihrem Ärger Luft. "Glaubt irgendjemand, dass die einen guten Job gemacht haben?", fragt Adam Martinez, ein weiterer Anwohner von Uvalde. "War das gut genug? Für die Menschen, die dort verblutet sind? Das war nicht gut genug!".

"Schlag ins Gesicht unserer Kinder"

Der Bürgermeister von Uvalde, Don McLaughlin, ging nicht auf die Kritik an dem Polizei-Einsatz ein. Stattdessen kritisierte er die Medien für die Veröffentlichung der Aufnahmen: "Sie müssen das nicht noch einmal durchleben, sie haben genug durchgemacht." Die Familien der Opfer riefen dazu auf, das Video nicht in den sozialen Medien zu verbreiten. "Wir sind sauer!", sagte Javier Cazares, der Vater eines der Opfer. "Das ist ein Schlag ins Gesicht unserer Kinder."

Ähnlich reagierte auch Berlinda Arreola, die Großmutter der zehnjährigen Amerie Jo Garza, die ebenfalls bei dem Attentat ums Leben gekommen ist: "Wer auch immer das Video herausgegeben hat, ich bete dafür, dass er oder sie nie so etwas durchmachen muss wie die Eltern, Großeltern, Geschwister, Tanten, Onkel und Cousins der Opfer."

Kurz nach der Tat einigten sich Demokraten und Republikaner auf eine leichte Verschärfung des Waffenrechts. Das neue Gesetz sieht unter anderem ausgeweitete Hintergrundüberprüfungen bei Waffenkäufern unter 21 Jahren vor. Außerdem sollen finanzielle Anreize für die einzelnen Bundesstaaten geschaffen werden, potenziell gefährlichen Waffenbesitzern vorübergehend die Waffen abzunehmen. Vorgesehen sind zudem Milliardenbeträge für die Sicherheit in Schulen und eine bessere psychiatrische Versorgung im Land.

Claudia Sarre, Claudia Sarre, ARD Washington, 14.07.2022 06:16 Uhr