
Anklage in Guantanamo Ein Terrorprozess gerät zur Farce
Auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo sollte Anklage gegen drei Männer verlesen werden, die angeblich 2002 einen blutigen Anschlag auf Bali verübten. Doch der Routineakt wurde zur Hängepartie.
Schwarze Gebetskappe, der eigentlich schon graue Bart henna-rot gefärbt, dicke Brille, rostrote Stoffmaske, weißes Hemd, dunkle Hose: So sieht Encep Nurjaman aus, der Mann, den die USA für den Tod von über 200 Menschen auf Bali verantwortlich machen.
Langsam schlurft der Indonesier, "Hambali" genannt, in orthopädischen Schuhen zu seinem Lederstuhl, flankiert von Soldaten mit Plastik-Gesichtsschild und blauen Plastikhandschuhen. Hinter ihm sitzen seine beiden Mitangeklagten. Seit 18 Jahren sind die drei in US-Haft. Sie wurden jahrelang in geheimen CIA-Gefängnissen gefoltert und dann 2006 nach Guantanamo gebracht. Jetzt sollen sie offiziell erfahren, warum genau die US-Regierung sie anklagt.
Probleme bei der Übersetzung
Aber keine vier Minuten später unterbricht Militärrichter Hayes Larsen das Verfahren in einer hochgesicherten fensterlosen Metallhalle auch schon wieder. Das Problem: die Dolmetscherin. Der Malaysier Farik Bin Lep kann sie nicht verstehen. Ihre Sätze seien "von hinten nach vorne", erklärt er auf malaiisch.
"Tut mir leid, aber sie macht einfach keinen guten Job. Mein Mandant muss den Prozess verstehen. Und ich bin nicht sicher, dass er das tut", beschwert sich sein Anwalt Brian Bouffard.
Richter Larsen, Fregattenkapitän in schwarzer Robe, wiegelt ab. Alle sollen doch bitte möglichst langsam und deutlich sprechen: "So als ob Sie einen Löffel Molasse im Mund haben!" Anwältin Christine Funk hat aus Respekt vor ihrem muslimischen Mandanten ein blaues Kopftuch umgelegt. Und klagt, dass der Malaysier Farik Bin Amin höchstens die Hälfte mitbekommt. Ihre nächsten Sätze sind nicht zu verstehen.

Auf diesem Archivfoto vom 13. Oktober 2002 inspizieren Polizeibeamte die Ruinen eines durch eine Explosion zerstörten Nachtclubs in Denpasar (Bali, Indonesien).
"Wollen die uns ausspionieren?"
Die Ton-Übertragung aus dem Gerichtssaal kommt bei den Medienvertretern hinter einer Glasscheibe nur mit 40 Sekunden Verzögerung an - um einen möglichen Geheimnisverrat zu verhindern. Jetzt blinkt auf dem Richtertisch ein rotes Licht und es rauscht. Nach ein paar Minuten stellt sich heraus: Es geht schon wieder um einen Übersetzer.
Der Angeklagte Nazir Bin Amin hat ihn erkannt, weil der Mann vor Jahren vertrauliche Unterhaltungen zwischen Amin und einem anderen Rechtsbeistand gedolmetscht hat. Jetzt sitzt dieser Übersetzer auf einmal am Tisch der Gegenseite. Anwältin Funk ist empört. Die Anklage bräuchte doch gar keinen Übersetzer, sagt sie. "Wollen die uns etwa ausspionieren? Ich weiß es nicht!"

Anwältin Christine Funk klagte über die angebliche Befangenheit einer Übersetzerin.
So geht es weiter: Endlose Formalien, viele Pausen und Proteste. Die indonesische Dolmetscherin sei voreingenommen, klagen die Anwälte: Sie soll zu einem Kollegen mal gesagt haben: "Ich verstehe nicht, warum die Regierung so viel Geld auf diese Terroristen verschwendet. Man hätte sie schon vor Jahren umbringen sollen." Jemand mit so einer Haltung hätte nichts als Stimme des Sondertribunals im Ohr der Angeklagten verloren, findet Anwalt Bouffard.
Terror und Verschwörung
Statt wie erwartet einen halben dauert die Anklageerhebung am Ende anderthalb Tage. Aber am Ende wissen "Hambali" und seine beiden mutmaßlichen Komplizen, wofür sie angeklagt werden. Darunter: Mord nach Kriegsrecht, versuchter Mord nach Kriegsrecht, absichtliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Terror und Verschwörung.

Jim Hodes, der Anwalt des Hauptangeklagten, sagte, der erste Tag sei entsetzlich schwierig und frustrierend gewesen
Wann das Hauptverfahren los gehen soll, ist noch nicht bekannt. Die Anklageerhebung ist zwar nur der allererste Schritt in einem sehr langen Verfahren, aber Jim Hodes, der Anwalt des Hauptangeklagten, ahnt nichts Gutes. Der erste Tag sei entsetzlich schwierig und frustrierend gewesen. Und werfe ein Schlaglicht darauf, wie schlecht die Militär-Sondertribunale funktionierten würden.