
Vor den Midterms in den USA Junge Wähler hadern mit Biden
Vor den Zwischenwahlen umwerben die Demokraten intensiv junge Wähler. Doch anders als 2020 tun sie sich schwer damit, die Jungen zu überzeugen. Und das hat viel mit dem Präsidenten zu tun.
Lange Zeit sah es so aus, als würden die Demokraten um US-Präsident Joe Biden bei den Kongresswahlen am 8. November eine empfindliche Niederlage einstecken müssen. Dann gab die Abschaffung des landesweiten Rechts auf Abtreibung durch den Supreme Court im Sommer dem Wahlkampf der Demokraten neuen Schwung.
Doch der scheint mittlerweile verflogen, weil andere Themen den Amerikanern wichtiger sind: steigende Preise für Benzin oder Lebensmittel zum Beispiel.
Hannah Beauchamp-Pope bekommt den Frust täglich zu spüren. Die 21-jährige Psychologie-Studentin kandidiert zum ersten Mal in ihrem Leben für ein politisches Amt und will für die Demokraten in das Landesparlament von Wisconsin einziehen. Im Wohnheim ihrer Universität in Green Bay geht sie von Tür zu Tür, um ihre Kommilitonen von sich und den Demokraten zu überzeugen.
Der aktuelle Amtsinhaber ist da eher ein Klotz am Bein: "Vielen ist er einfach zu weit entfernt von ihrem täglichen Leben, sie fühlen sich von ihm nicht verstanden."
Versprechen nicht erfüllt?
Wenn sie fragt, welche Themen ihre möglichen Wähler beschäftigen, bekommt sie immer wieder dasselbe zu hören: das Recht auf Abtreibung und die Studiengebühren. In beiden Fällen habe Biden nicht gehalten, was er versprochen hat. "Ältere Wähler machen sich oft Sorgen um die Wirtschaft oder wegen der Kriminalität", sagt Hannah. "Jüngeren Wählern geht es vor allem um ihre Freiheit."
Die Kongresswahlen am 8. November gelten als Stimmungsbarometer für den amtierenden Präsidenten. Von ihrem Ausgang hängt ab, ob Biden in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit noch handlungsfähig ist oder nicht. Alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses und 35 von 100 Senatorensitzen stehen zur Wahl.
Die Demokraten könnten in beiden Kammern des Kongresses ihre Mehrheit verlieren. Eine Wählergruppe, die das verhindern soll, sind die jungen Wähler. Ihnen hat der bald 80-Jährige sein Amt zu verdanken. Doch die Jungen hadern mit dem alten Mann im Weißen Haus.
Die Schwierigkeit, zu motivieren
Traditionell fällt es der jeweiligen Regierungspartei schwerer, ihre Anhänger zu motivieren. Viele sind satt und träge nach dem gerade erst zwei Jahre zurückliegenden Wahlsieg. Das weiß auch Joey Van Deurzen. Der 20-jährige IT-Student tritt ebenfalls zum ersten Mal für die Demokraten bei einer Wahl an.
An jedem freien Wochenende geht er in seinem Wahlbezirk von Haustür zu Haustür, um Flyer zu verteilen und die eigene Basis an die Urne zu treiben. Eine App auf seinem Handy zeigt ihm an, wo Demokraten wohnen.
An Türen von Republikanern zu klopfen, macht keinen Sinn. Sie kann er ohnehin nicht überzeugen. "Wir müssen um jeden Einzelnen kämpfen", sagt Joey. "Es steht einfach zu viel auf dem Spiel."

Eine App weist ihm den Weg: Joey Van Deurzen geht am Wochenende in seinem Wahlbezirk von Haus zu Haus.

Der Weg zu einem Mandat ist mühsam: Wahlkämpferin Beauchamp-Pope auf Wählerwerbung in einem Studentenwohnheim.
Hohe Schuldenlast der Studenten
2000 Dollar Startkapital hat er von seiner Partei bekommen. Für die ersten 3000 Türen kommen 3000 Dollar dazu. Geld, dass er auch privat gut gebrauchen könnte. 60.000 Dollar Schulden hat er schon gemacht für sein IT-Studium. So wie ihm geht es Millionen von Studierenden in Amerika.
Bei ihnen hat Joe Biden versucht zu punkten - mit einem angekündigten Schuldenschnitt für Studiendarlehen von bis zu 20.000 Dollar. Ein 300 Milliarden Dollar teures Wahlgeschenk pünktlich zu den Midterms, das jedoch vor Gericht vorerst durch Klagen von republikanisch regierten Bundesstaaten gestoppt wurde. "Darauf haben viele gewartet", sagt Joey. "Nicht auszudenken, was passiert, wenn er dieses Versprechen jetzt nicht halten kann."
Studierende als wichtige Wählergruppe
Eine Sorge, die auch Tammy Baldwin teilt. Sie ist Senatorin in Washington und ist in ihre Heimat gekommen, um Kandidaten wie Joey Mut zu machen. "Wir müssen versuchen, die 18-Jährigen zu erreichen", sagt sie, "diejenigen, die zum ersten Mal wählen gehen".
Eine wichtige Wählergruppe seien auch die 120.000 Studierenden an den 13 Universitäten in Wisconsin. "Sie können entscheiden, ob sie dort wählen wollen, wo sie aufgewachsen sind oder dort, wo sie studieren - wir werben für Letzteres." Das dürfte auch damit zu tun haben, dass Wisconsin einer der besonders umkämpften Bundesstaaten ist. Jüngste Meinungsumfragen sehen die Republikaner knapp vorne.
Einstiger Hoffnungsträger erleidet Vertrauensverlust
Bei der Präsidentschaftswahl 2020 machten die 18- bis 30-Jährigen rund 15 Prozent der Wählerstimmen aus. Zwei Drittel davon entfielen auf Biden. Wie groß der Vertrauensverlust beim einstigen Hoffnungsträger mittlerweile ist, zeigt eine Umfrage der "New York Times". Insgesamt 94 Prozent der demokratischen Wähler unter 30 wünschen sich demnach, dass Biden 2024 nicht erneut antritt.
Diese Reportage sehen Sie auch im mittagsmagazin - heute ab 13.00 Uhr im Ersten