Annalena Baerbock bei ihrer Rede vor der UN-Vollversammlung.

UN-Abstimmung Russland bleibt isoliert

Stand: 24.02.2023 01:12 Uhr

Deutlicher als erwartet hat die UN-Vollversammlung den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verurteilt. 141 Ja-Stimmen erhielt die Resolution, die den Rückzug russischer Truppen fordert. Es war auch ein Erfolg für die deutsche Außenministerin.

Von Kai Küstner, ARD Berlin

Vom Auftritt der deutschen Außenministerin würde eine Menge abhängen, so jedenfalls sahen es die ukrainischen Vertreter bei den Vereinten Nationen. Deshalb setzte sich Annalena Baerbocks ukrainischer Amtskollege, Dmytro Kuleba, persönlich dafür ein, dass die Deutsche als letzte Rednerin in der Generalversammlung auftreten möge - um zu verhindern, dass eine Reihe der Ukraine nicht freundschaftlich verbundener Staaten, darunter China, das letzte Wort behalten sollten.

Es gelang. Mit der Deutschen endete die Rednerliste: "Russlands Angriffskrieg hat nicht nur den Menschen in der Ukraine furchtbares Leid gebracht. Dieser Krieg hat klaffende Wunden auf der ganzen Welt geschlagen." Das heißt: Dieser Krieg geht alle Staaten etwas an, so die Botschaft der deutschen Außenministerin vor der Generalversammlung, die vor allem auf steigende Nahrungsmittel- und Energiepreise weltweit verwies.

UN-Resolution: Weltgemeinschaft fordert den Rückzug Russlands aus der Ukraine

Marion Schmickler, ARD New York, tagesschau, 24.02.2023 12:00 Uhr

Baerbocks eindringlicher Appell

Bis kurz vor ihrer Landung in New York hatte Baerbock persönlich am Redetext gefeilt. Sie war dann, wirklich auf den letzten Drücker und kurzzeitig vom Stau der Megametropole ausgebremst, bei den Vereinten Nationen angekommen. "Wir wollen, dass dieser Krieg endet. Wir wollen Frieden", rief sie den Delegierten in der UN-Sondersitzung zu. "Der Weg zum Frieden ist auch sehr klar: Russland muss seine Soldaten aus der Ukraine abziehen. Russland muss die Bombardierungen beenden. Russland muss zur UN-Charta zurückkehren."

Mit 141 Stimmen gelang es nun also, genauso viele Staaten hinter der Resolution zu versammeln wie schon vor einem Jahr, kurz nach dem russischen Einmarsch. Ausgerechnet Mali wechselte ins Lager der Gegenstimmen - jenes Land also, in dem über 1000 Bundeswehr-Soldaten für Sicherheit sorgen, aber eben auch russische Söldner aktiv sind.

Das sorgt zwar für Stirnrunzeln. Doch angesichts der nicht abgeschmolzenen Ja-Stimmenanzahl dürfte das für die deutsche Außenministerin zu verschmerzen gewesen sein. "Russland ist mit seinem Kriegskurs genauso isoliert wie vor einem Jahr", stellte Baerbock nach der Abstimmung fest.

Wichtiges Signal der kontinuierlichen Einheit

Das gegenteilige Signal wäre verheerend gewesen. Käme in Moskau die Botschaft an, dass der Rückhalt für den Ukraine-Kurs Europas und der USA bröckelt, hätte das Russlands Präsident Wladimir Putin als Aufforderung zum "Weiter so" auffassen können. Er hätte sich bestätigt fühlen können, dass er nur beharrlich sein und diesen Krieg lange genug durchhalten muss - während sich der internationale Druck von Tag zu Tag abschwächt.

Die Waffenlieferungen an die Ukraine verbunden mit dem Signal, dass diese nicht versiegen werden, sind das wohl wichtigste Druckmittel, um Russlands Präsidenten eines Tages an den Verhandlungstisch zu zwingen. Die internationale Isolation ist ein zweites. Funktioniert die nicht, steigert das die Handlungsmöglichkeiten Putins.

"Dieses Ergebnis widerlegt das Argument, der Globale Süden würde nicht auf der Seite der Ukraine stehen", bemerkte anschließend der ukrainische Außenminister Kuleba.

Wettlauf im Globalen Süden

Seit nunmehr einem Jahr bereist die deutsche Außenministerin den Globus mit letztlich einem Ziel: Gerade auf der Südhalbkugel Staaten als Partner Deutschlands und Europas zu gewinnen und sie vom Einfluss Russlands abzuschirmen. Weil eben so viel von dieser Resolution abhing, hatte Baerbock in den letzten Tagen noch einmal den Kontakt gesucht zu den Staaten des sogenannten Globalen Südens: Unter anderem zu Südafrika, Indien, Senegal, besonders intensiv aber zu Brasilien, das für die Resolution stimmte.

Russlands enger Verbündeter China übrigens stimmte nicht dagegen, sondern enthielt sich - was ein Zeichen sein könnte, dass es mit seinem angekündigten Friedensplan ernst genommen werden will. Scharfe Kritik am Westen übte der chinesische Vertreter dennoch: "Waffen zu schicken, wird keinen Frieden bringen. Öl ins Feuer zu gießen, wird die Spannungen nur verschärfen."

Parallel zu dieser Aussage berichtet der "Spiegel" übrigens, Russland verhandele mit China über den Kauf von Drohnen. Genau auf diese Kritik jedoch und den Vorwurf, westliche Waffen würden die Flammen nur noch anfachen, ging Annalena Baerbock in ihrer Rede und auch im Anschluss direkt ein. Höre man mit Waffenlieferungen auf, würde die Welt noch unsicherer: "Weil der russische Präsident seinen Vormarsch nicht beenden würde, sondern das Ziel hat, die gesamte Ukraine zu vernichten - mit fatalen Folgen für die gesamte Welt."

Resolution an entscheidenden Stellen abgeschwächt

Ursprünglich hatte die Ukraine vorgehabt, einen 10-Punkte-Friedensplan von Präsident Wolodymyr Selenskyj in eine UN-Resolution zu gießen. Davon aber nahm man vorsichtshalber Abstand. Nun sind zwar Bausteine dieses 10-Punkte-Plans in den Text eingeflossen, an entscheidenden Stellen wurde der jedoch abgeschwächt. Ein Beispiel: Selenskyjs Forderung, ein Sondertribunal zur Verfolgung russischer Kriegsverbrechen zu schaffen, findet sich darin nicht.

Bindend sind Resolutionen der UN-Generalversammlung zwar nicht. Doch Abstimmungen wie diese wirken wie ein Messgerät, das den Puls der Welt zu fühlen in der Lage ist. Ein Jahr nach dem russischen Einmarsch kann Putin also nicht darauf bauen, dass die Gleichgültigkeit auf dem Globus mit zunehmender Kriegsdauer wachsen wird.

Gleichzeitig gibt es nicht den geringsten Hinweis, dass er deshalb zu ernsthaften Verhandlungen bereit wäre. Auch wenn die UN darauf dringen - von Frieden in der Ukraine ist man ähnlich weit entfernt wie vor einem Jahr.

Kai Küstner, Kai Küstner, ARD Berlin, zzt. New York, 24.02.2023 05:57 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 23. Februar 2023 um 22:15 Uhr.