Pablo Neruda

Neue Erkenntnisse in Chile Wirklich vergiftet? Wie starb Pablo Neruda?

Stand: 15.02.2023 20:32 Uhr

Dichter, Politiker, Revolutionär - Pablo Neruda starb vor fast 50 Jahren. Sein mysteriöser Tod gibt bis heute Rätsel auf. Neue Laboruntersuchungen sollen jetzt Aufschluss geben.

Von Natalia Laube und Anne Herrberg, ARD-Studio Rio de Janeiro

Seine letzten Tage verbrachte Pablo Neruda in Isla Negra, in seinem Haus an einem wilden Strand, südlich von Santiago de Chile. Vom Bett aus konnte er aufs Meer blicken, sah die Sonne auf- und untergehen, dazu das unaufhörliche Brechen der Wellen.

"Er sagte, Chile sei das Licht am Grunde eines schlafenden Südamerikas", erinnerte sich einst Volodia Teitelboim. Der 2008 verstorbene Dichter und Kommunist war enger Freund des chilenischen Poeten und Nobelpreisträgers, der aktiv die sozialistische Regierung von Salvador Allende unterstützt hatte.

Zwölf Tage nach dem Putsch Pinochets stirbt Neruda

Während im restlichen Lateinamerika Diktaturen, Unterdrückung und Grausamkeit herrschten, bildete Chile damals, zu Zeiten Allendes, eine Ausnahme. Doch am 11. September 1973 putsche das Militär, General Augusto Pinochet übernahm die Macht, Allende nahm sich das Leben.

Neruda plante, ins Exil nach Mexiko zu gehen. Doch kurz vor der Ausreise, nur zwölf Tage nach dem Putsch, verstarb der Poet im Alter von 69 Jahren. Offizielle Todesursache: ein drastischer Gewichtsverlust, die Schwächung des Körpers infolge des Krebsleidens des Dichters.

Rodolfo Reyes, Anwalt und Neffe von Pablo Neruda und Elizabeth Flores Anwältin in dem Fall.

Rodolfo Reyes, Anwalt und Neffe von Pablo Neruda und Elizabeth Flores, Anwältin in dem Fall. Nerudas Neffe sagt, kurz vor seinem Tod hätten sie noch zusammen Mittag gegessen.

"Meinem Onkel ging es kurz zuvor noch gut"

Hat ihm der Putsch jegliche Illusion geraubt, der Ekel vor dem Pinochet-Regime den Verfall des Dichters vorangetrieben? "Das machte keinen Sinn", sagt Rodolfo Reyes, ein Neffe Nerudas, heute. Zunächst hätten sie, auch aufgrund der Umstände der Zeit, zwar die offizielle Autopsie akzeptieren müssen, doch Zweifel sei von Beginn an da gewesen. "Meinem Onkel ging es gut, wir hatten kurz zuvor in Isla Negra mit ihm zu Mittag gegessen. Er war müde, ja, er hatte Krebs, aber daran starb er nicht", erklärt Reyes am Montag gegenüber Nachrichtenagenturen.

Nerudas Fahrer, Manuel Araya behauptete bereits 2011, der weltberühmte Dichter sei während der Fahrt in ein Krankenhaus durch eine Giftspritze getötet worden. 2013 ordnete ein Richter die Exhumierung und Untersuchung des Leichnams an.

Forensiker stellten Hinweise auf Vergiftung fest

Spuren von Gewalteinwirkung wurden damals nicht gefunden. Doch die Familie des Dichters gab keine Ruhe und bat ein internationales Forensikerteam, die Knochen erneut zu untersuchen. Das Team übergab seinen Bericht nun der zuständigen Richterin, ohne sich zum Inhalt zu äußern. Auch das Gericht erklärte, man werde den Bericht zunächst auswerten und sich zum einem späteren Zeitpunkt dazu äußern.

Die Experten erklärten bereits 2015: Die offizielle Darstellung der Todesursache sei nicht haltbar, stattdessen gebe es Hinweise auf eine mögliche Vergiftung mit Bakterien.

Tests in dänischen und kanadischen Laboren hätten dies nun bestätigt, erklärte Reyes, der den Fall auch als Anwalt verfolgt. Es sei ein Giftstoff festgestellt worden, der zur Lähmung des Nervensystems und zum Tod führe. Reyes äußerte am Montag einen Verdacht, der schon lange im Raum steht: Es habe Fremdeinwirkung gegeben. Im Klartext sagt er: Es war Mord.

Der chilenische Dichter und Botschafter Chiles in Frankreich, Pablo Neruda, spricht zu Reportern, nachdem er zum Literatur-Nobelpreisträger ernannt wurde.

Woran Pablo Neruda vor fast 50 Jahren starb, ist umstritten. Nun soll der Bericht eines internationalen Expertengremiums Klarheit bringen.

Neruda galt als Ikone der lateinamerikanischen Linken

"Vieles spricht dafür, vor allem, wenn man sich anschaut, wer Pablo Neruda war." 1971 hatte er den Literaturnobelpreis gewonnen. Neruda, der auch als Diplomat tätig gewesen war und sich immer politisch einmischte, war neben Salvador Allende und dem Sänger Victor Jara eine der Ikonen der lateinamerikanischen Linken - und damit ein Todfeind der Militärs. "Ein Pablo Neruda im Exil hätte wie kein anderer die Möglichkeit gehabt, alle Kräfte gegen die Diktatur zu vereinen."

Kritik von feministischen Gruppen

Eine offizielle Bestätigung gibt es noch nicht, der Bericht soll am Mittwoch vorgestellt werden. Zuletzt war die Präsentation allerdings mehrfach verschoben worden.

Die Ergebnisse dürften die Diskussionen über Pablo Neruda, knapp 50 Jahre nach seinem Tod, erneut anfachen. Der Dichter, der im Laufe seiner Karriere auch feuriger Unterstützer Stalins war, ist international vor allem für seine Liebesgedichte bekannt geworden.

In den vergangenen Jahren prangerten feministische Gruppen jedoch an, dass Neruda in den 1930er-Jahren eine Vergewaltigung beging, die er in einem Buch zugab. Zudem gibt es Kritik an Neruda, weil er sich von seiner einzigen Tochter Malva Marina abgewandt haben soll, offenbar wegen einer Krankheit, die sie seit der Geburt hatte.

Anne Herrberg, Anne Herrberg, ARD Rio de Janeiro, 15.02.2023 12:48 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. Februar 2023 um 05:41 Uhr.