Eine Kindergärtnerin auf Rhode Island arbeitet mit einem Kind am Computer. (Archivfoto: 9. Februar 2022)

Kinderbetreuung in den USA "Mehr als die monatliche Rate fürs Haus"

Stand: 10.08.2022 13:45 Uhr

Fast ein Viertel ihres Einkommens muss eine Familie in den USA im Schnitt für einen Kita-Platz ausgeben. Kinderbetreuung ist in den USA zum Luxusgut geworden.

Von Theresa Greim, ARD-Studio Washington

Idris ist noch nicht ganz wach, als seine Mutter Yasmin ihn am Nachmittag aus der Kinderbetreuung abholt. Er ist gerade zwei Jahre alt geworden und fühlt sich wohl in der Kita - zum Glück. Denn in den USA gibt es weder einen gesetzlichen Mutterschutz noch Elternzeit.

Kinder kommen deshalb oft schon mit ein paar Monaten in die Krippe. Und das kostet. Mutter Yasmin war geschockt, als sie erfahren hat, wie teuer die Betreuung ihres Sohnes wird: "Ich hatte wirklich keine Ahnung." Sie erinnert sich:

Als ich die Preise gesehen habe, war ich sprachlos.

Kinderbetreuung für die Kleinsten im Alter von bis zu einem Jahr koste pro Monat zwischen 2700 und 3000 Dollar, erzählt sie - "mehr als die monatliche Rate fürs Haus", so Yasmin. 3000 Dollar: Das entspricht umgerechnet aktuell etwa 3000 Euro. Diese Summe wird für Yasmin und ihren Mann jeden Monat fällig.

Am teuersten ist es in Massachusetts

In Bezug auf Kinderbetreuung haben sich Yasmin und ihr Mann den denkbar schlechtesten - weil teuersten - Ort in den USA ausgesucht: Boston in Massachusetts. Der Bundesstaat erhebt landesweit die höchsten Gebühren.

Aber Kinderbetreuung ist auch andernorts in den USA extrem teuer. Fast ein Viertel ihres Einkommens muss eine Familie im Schnitt für die Kita ausgeben - wohlgemerkt für ein Kind.

In den USA gilt: Bis die staatlich finanzierte Schullaufbahn mit der Vorschule im Alter von etwa fünf Jahren beginnt, sind Eltern auf sich allein gestellt. Fördergelder gibt es nur begrenzt - für Familien mit niedrigen Einkommen. Und eben weil es so gut wie keine staatlichen Mittel gibt, reicht es auch für die Kitas nur gerade so zum Überleben.

Pandemie als Brandbeschleuniger

Gleiches gilt für die Mitarbeiter. Erzieherinnen gehören zu den am schlechtesten bezahlten Arbeitnehmerinnen des Landes. Als Corona kam und damit mehrere Lockdowns, entschieden sich viele von ihnen, ganz aufzuhören.

Die Pandemie habe wie ein Brandbeschleuniger gewirkt, sagt Autor und Bildungsexperte Elliot Haspel. "Viele andere Branchen im Niedriglohnsektor, wie Fastfood-Märkte, haben die Stundenlöhne auf 16 oder 17 Dollar erhöht und bieten Sozialleistungen an. Zum Beispiel eine Krankenversicherung. In der Kinderbetreuung gibt es 12 Dollar - oft ohne weitere Benefits."

Ruf nach staatlicher Förderung

Der Sektor ist auch für die Wirtschaft ein Problem. Firmen können es sich nicht leisten, gut ausgebildete Mitarbeiter zu verlieren, weil diese aus Kostengründen die Kinderbetreuung selbst übernehmen und zu Hause bleiben. Immerhin bieten einige ihren Angestellten an, einen Teil der Kita-Kosten zu übernehmen. Das sei zwar schön, meint Bildungsexperte Haspel. Aber:

Es wird nicht funktionieren ohne dauerhafte Finanzförderung durch die Regierung.

Die USA würden von allen Industrienationen den drittniedrigsten Prozentsatz ihres Bruttoinlandsprodukts für frühkindliche Bildung ausgeben, so Haspel. "Nur 0,3 Prozent - das Ziel wäre ein Prozent.“

New Mexico schreitet voran

Mehr Geld investieren: Das will der Bundesstaat New Mexico wagen. Er hat vor Kurzem beschlossen, dass Kinderbetreuung für die meisten Familien kostenlos sein soll. Mittlerweile wird in einigen Bundesstaaten zumindest über eine bessere Kinderbetreuung nachgedacht. Auch in Massachusetts.

Bis etwas in diese Richtung passiert, liegt bei Yasmin und ihrem Mann die weitere Familienplanung erst mal noch auf Eis: "Wir können auf keinen Fall zwei Kinder zur gleichen Zeit in der Betreuung haben, das können wir uns nicht leisten", sagt sie. Ein zweites Kind wollten sie und ihr Mann schon, glaube sie. "Aber dann ist Schluss."

Theresa Greim, ARD Washington, 10.08.2022 12:54 Uhr