
Erster Karneval seit zwei Jahren Rios heiliger Boden bebt wieder
Rios Karneval ist zurück: Nach zweijähriger Pandemiepause ziehen die großen Sambaschulen wieder durch die Straßen - in Erinnerung an die Corona-Toten, aber auch lebensfroh und kämpferisch.
Sie mussten lange warten, bis dieser Rhythmus wieder erklingt, der Sapucai, die berühmte Straße durch Rios Sambodrom, wieder vor ihnen liegt im gleißenden Licht der Scheinwerfer. Tausendfach wird es zurückgeworfen von all den glitzernden Pailletten, den goldglänzenden Kostümen und verspiegelten Wagen. Die Menge jubelt, die Menge winkt - und dann eröffnet Rafaela Teodoro, Fahnenträgerin der Sambaschule Imperatriz, die Show.
"Es ist ein einzigartiges Gefühl. Nur wer Sambatänzer ist und den Karneval liebt, weiß, wie wichtig es für uns ist, diesen heiligen Boden nach zwei Jahren Pause wieder zu betreten. Mit Respekt für all die Leben, die wir in diesen zwei Jahren verloren haben. Für all sie geben wir heute alles. Dieser Moment ist auch für sie", sagt Teodoro.
Omikron sorgte für weitere Verschiebung
Zwei Jahre musste er ausfallen, Rios berühmter Wettbewerb der Sambaschulen im Sambodrom, wegen der Omikron-Variante wurde er nun von Februar auf Ende April geschoben. Die Corona-Pandemie hat Brasilien hart getroffen. Mehr als 660.000 Menschen sind am Virus gestorben, auch die Sambaschulen haben viele ihrer Mitglieder verloren, erzählt Jo Calca Larga, er ist bei der Schule Salgueiro dafür zuständig, dass sich die Parade, bei der Hunderte Menschen mitmachen, im richtigen Tempo vorwärts bewegt.
"Es ist alles sehr bewegend, ich muss einen kühlen Kopf bewahren, damit unser Umzug heute perfekt läuft", erzählt Larga. "Wir haben Freunde und Verwandte verloren, ich selbst wusste nicht, ob ich Covid überleben würde und Karneval noch einmal erleben darf." Er danke den Wissenschaftlern und dem Gesundheitspersonal, die so gekämpft hätten. "Heute lebendig hier zu sein bedeutet, Widerstand zu leisten."

Buntes Spektakel: Rios Sambaschulen mussten auf diesen Moment lange warten.
Gegen Rassismus und Sklaverei
Widerstand - "Resistencia" - ist das diesjährige Motto der Schule Salgueiro, die in diesem Jahr mit 170 schwarzen Aktivisten auftritt, in deren Umzug Flüchtlinge aus Syrien, Venezuela und dem Kongo mitlaufen und die lautstark Rassismus, Sklaverei und Diskriminierung anprangert.
Widerstand ist gleichzeitig eine Art roter Faden, der sich insgesamt durch diesen Karneval zieht. Es geht dabei auch um den Kampf der Afrobrasilianer für die Bewahrung ihrer Kultur, Geschichte und Religiosität. Wie schon 2019 und 2020 positionieren sich die Schulen damit auch kämpferisch gegenüber der Bolsonaro-Regierung, die mit ihrem Diskurs Hass und Intoleranz gefördert hat, die Pandemie lange kleinredete, die Impfkampagne verschleppte.
"Samba ist Widerstand"
Kelly Cristina tanzt bei Mangueira. Die Schule ist berühmt dafür zu provozieren und wurde immer wieder von erzkonservativen und ultrareligiösen Kräften angefeindet. "Dass wir unseren Umzug drei Sambamusikern widmen, die großes für unsere Favela getan haben, ist politisch. Dass hier die Bevölkerung, die ignoriert und nicht wertgeschätzt wird, im Rampenlicht steht, ist politisch", sagt sie und ergänzt: "Und wir müssen noch viel lauter werden! Samba ist Widerstand, deswegen wurde er verboten und diskriminiert. Welche Hautfarbe haben denn die Sambatänzer, woher kommen sie? Das ist politisch."

"Wir müssen noch viel lauter werden!": Mitglieder der Sambaschule Mangueira beim Karneval in Rio.
Vor allem aber wird an diesem Abend die Rückkehr der Freude gefeiert, es ist auch ein Moment des Aufatmens, den alle dringend brauchen. Wenige Meter hinter dem Sambodrom wird, wenn auch inoffiziell, auf der Straße weitergefeiert.
Mehr als 90 Prozent der Menschen in Rio sind heute vollständig geimpft, ohne Nachweis kommt niemand auf die Sapucai. "Gott sei Dank nicht", sagt ein alter Mann. "Ich bin 81, und ich bin fünf Mal geimpft, vier Mal gegen Covid, ein Mal gegen die Grippe. Und wenn du noch was hast, nur her damit, die sollen bloß wegbleiben, diese Krankheiten."