
UN-Generalsekretär Guterres "Größte nukleare Gefahr seit Kaltem Krieg"
UN-Chef Guterres hat die Weltgemeinschaft vor der wachsenden Gefahr einer atomaren Vernichtung gewarnt. Er forderte die Abschaffung aller Atomwaffen. Russlands Präsident Putin mahnte, dass ein Atomkrieg keinen Gewinner hätte.
Angesichts zahlreicher Krisen weltweit hat UN-Generalsekretär António Guterres vor dem steigenden Risiko atomarer Vernichtung gewarnt. Die Welt befinde sich in einer "Zeit nuklearer Gefahr, wie es sie seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges nicht mehr gegeben hat", sagte Guterres zum Start der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York.
"Eine Fehlkalkulation von nuklearer Vernichtung" entfernt
"Die Menschheit läuft Gefahr, die Lehren zu vergessen, die in den schrecklichen Feuern von Hiroshima und Nagasaki geschmiedet wurden". Die Welt sei nur ein Missverständnis oder eine Fehlkalkulation von der nuklearen Vernichtung entfernt.
Guterres sagte weiter, dass die geopolitischen Spannungen einen neuen Höchststand erreicht hätten - und verwies auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine, Konflikte in Nahost, auf der koreanischen Halbinsel sowie Krisen mit "nuklearen Untertönen".
Guterres: Beseitigung von Atomwaffen
Die Beseitigung von Atomwaffen sei die einzige Garantie, dass diese niemals eingesetzt würden, sagte Guterres. Er appellierte deshalb an die Konferenzteilnehmer, dringend "die 77 Jahre alte Norm gegen den Einsatz von Atomwaffen" zu bestätigen und zu stärken, unermüdlich für die Beseitigung von Atomwaffen zu arbeiten und Vereinbarungen zur Reduzierung der Arsenale zu erzielen. Gleichzeitig betonte er, dass die friedliche Nutzung von Nukleartechnologien - auch für medizinische Zwecke - gefördert werden müsse.
Ziel des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen von 1970 ist es, die Streuung von Atomwaffen zu verhindern, nukleare Abrüstung voranzutreiben und die friedlichen Nutzung von Kernenergie zu fördern. 191 Staaten sind dem Abkommen beigetreten - darunter auch die USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien.
Alle fünf Jahre eine Überprüfung
Es besagt, dass nur die USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien Atomwaffen besitzen dürfen. Die vier anderen mutmaßlichen Atommächte Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea sind dem Vertrag entweder nicht bei- oder wieder ausgetreten. Alle fünf Jahre ist eine Überprüfung darüber vorgesehen, inwieweit die Ziele des Atomwaffensperrvertrags erfüllt wurden.
Die zehnte Überprüfungskonferenz sollte bereits 2020 stattfinden, wurde wegen der Corona-Pandemie aber verschoben. Zum Start heute sollen auch Außenministerinnen und Außenminister sprechen. Die Konferenz geht bis zum 26. August.
Blinken: Rücksichtlose Kriegsdrohungen aus Moskau
US-Außenminister Antony Blinken warf Russland zu Beginn der Konferenz vor, seine Atomwaffen für rücksichtlose Kriegsdrohungen einzusetzen. Frühere Äußerungen von Kremlchef Wladimir Putin, wonach militärische Hilfe für die Ukraine beispiellose Folgen haben könne, seien "gefährliches nukleares Säbelrasseln", sagte Blinken. Die Aussagen stünden im Widerspruch zu internationalen Vereinbarungen. "In unserer Welt ist kein Platz für nukleare Abschreckung auf der Grundlage von Gewalt und Einschüchterung oder Erpressung. Wir müssen zusammenstehen, um dies abzulehnen."
Blinken sagte weiter, die Vereinigten Staaten würden den Einsatz von Atomwaffen lediglich unter extremen Umständen in Betracht ziehen, um die lebenswichtigen Interessen der USA, ihrer Verbündeten und Partner zu verteidigen.
Putin: Atomkrieg hätte keinen Gewinner
Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte in einem Brief an die Teilnehmer der Konferenz , bei einem Atomkrieg könne es keinen Gewinner geben. Ein solcher Krieg dürfe nie begonnen werden.
Die internationale Besorgnis über das Risiko einer nuklearen Konfrontation hat sich seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar verstärkt. In einer Rede verwies Putin damals ausdrücklich auf das russische Atomwaffenarsenal und warnte Mächte von außen vor jedem Versuch der Einmischung.
Baerbock: Atomare Abrüstung
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mahnte vor ihrer Abreise nach New York, trotz aller Kriege, Konflikte und Drohgebärden weiter für atomare Abrüstung zu kämpfen. "Auch wenn dieses Ziel in der aktuellen Weltlage noch so entfernt scheinen mag: Wir dürfen dieses Ziel nie aus den Augen verlieren, müssen hartnäckig dran bleiben, wenn es um seine Umsetzung geht." Deutschland habe zusammen mit 15 weiteren Ländern 22 Vorschläge für nukleare Abrüstung gemacht. Wenn man in New York "auch nur einen Millimeter" vorankomme, sei das jede Anstrengung wert, so Baerbock.
Auch der Iran ist Thema
Angesichts von Spannungen und stockenden Verhandlungen über das iranische Atomprogramm nahm der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, in seiner Rede auch Teheran in die Pflicht: "Wir brauchen einen Zugang, der der Breite und Tiefe dieses nuklearen Problems angemessen ist". Nur dann sei die IAEA in der Lage "die notwendigen und glaubwürdigen Zusicherungen zu geben, dass jede Aktivität in der Islamischen Republik Iran friedlichen Zwecken dient."
Die Verhandlungen über eine Wiederbelebung des 2015 geschlossenen Abkommens zwischen dem Iran und den sechs Vertragspartnern - China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA - stocken seit März. Der Iran signalisierte unterdessen seine Bereitschaft für eine Wiederaufnahme der Atomverhandlungen.