Migranten überqueren den Rio Bravo. | REUTERS

Flüchtlinge an US-Grenze "Es geht ums blanke Überleben"

Stand: 21.12.2022 10:52 Uhr

Tausende Menschen warten an der US-Grenze zu Mexiko auf ihre Einreise. Das Auslaufen einer umstrittenen Abschieberegelung wurde nun vorerst gestoppt. Aber Probleme sind damit nicht gelöst.

Von Nina Barth, ARD-Studio Washington

Es ist eines der beherrschenden Themen in den US-Medien - Tausende Migranten warten am Ufer des Grenzflusses Rio Grande darauf, in die USA einzureisen. Eine Reporterin von CBS berichtet aus der US-Grenzstadt El Paso, wo viele Flüchtlinge, die es in die USA geschafft haben, im Freien schlafen, die Unterkünfte sind überfüllt. Es sei eine gefährliche Situation für die Flüchtlinge bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, so die Reporterin.

Nina Barth ARD-Studio Washington

Auf Fernsehbildern ist zu sehen, wie Grenzschützer am Rio Grande Stacheldraht installieren, um die Menschen aufzuhalten. Grenzstädte wie El Paso sind mit der Versorgung der Flüchtlinge völlig überfordert.

Bürgermeister ruft Notstand aus

Bürgermeister Oscar Leeser hat den Notstand ausgerufen: "Ich habe von Anfang an gesagt, wenn die Asylsuchenden oder unsere Community nicht mehr sicher sind, rufe ich den Notstand aus. Inzwischen schlafen hier Hunderte Asylsuchende auf den Straßen."

Bis zu 2500 Menschen kommen nach Angaben des Bürgermeisters täglich nach El Paso. Und seine Befürchtung: Es könnten bis zu 6000 am Tag werden, wenn die umstrittene Abschieberegelung ausläuft, die es den US-Behörden mit wenigen Ausnahmen erlaubt, Migranten an der Grenze ohne Verfahren abzuweisen.

Migranten sitzen auf einer Straße in El Paso (Texas, USA). | EPA

In der Grenzstadt El Paso sitzen Einwanderer auf der Straße. Bild: EPA

Supreme Court stoppte Auslaufen von Abschieberegelung

Die Regelung wurde mit Verweis auf die Corona-Pandemie unter Donald Trump eingeführt - und von Joe Biden fortgeführt. Der Supreme Court hat das Auslaufen auf Eis gelegt, aber sollte die Abschieberegelung tatsächlich abgeschafft werden, würden noch mehr Menschen versuchen, ins Land zu kommen, warnte auch der Gouverneur von Texas, der Republikaner Greg Abbott, im Sender ABC News. Die Situation werde katastrophal, nicht nur für Texas, sondern für die gesamten USA.

Sowohl Republikaner als auch Demokraten nutzen die Situation für gegenseitige Schuldzuweisungen. Das Thema ist emotional aufgeladen. Der ultrarechte Fox News Moderator Tucker Carlson sprach von einer Invasion des Landes. Die USA hätten keine Grenze mehr.

"Die Regierung hat sich ausgeruht"

Der demokratische Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas, dem die Republikaner mit einem Amtsenthebungsverfahren drohen, betonte dagegen, Einwanderer, die kein Bleiberecht in den USA hätten, würden weiter abgeschoben.

Der Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan, erklärte, die Regierung habe sich intensiv auf das Auslaufen der Abschieberegelung vorbereitet. "Das Team hat sehr hart daran gearbeitet, sicherzustellen, dass wir das Ende der bisherigen Regel bewältigen können. Und dass wir einen geordneten und humanen Ablauf schaffen. Wir glauben, dass wir damit unsere nationalen Sicherheitsbelange schützen können", so Sullivan.

Aber nicht nur Republikaner sagen, die Regierung sei nicht auf die Situation vorbereitet. Andrew Selee vom Migration Policy Institute in Washington erklärte: "Die Regierung hat sich auf der Einreiseregelung aufgrund von Corona ausgeruht. Sie sind nicht vorbereitet auf die Situation, obwohl sie wussten, dass sie kommt."

US-Regierung will 3,5 Milliarden Dollar bereitstellen

Die Sprecherin von Präsident Biden, Karine Jean-Pierre, erläuterte, 23.000 Beamte seien an der Grenze im Einsatz - so viele wie noch nie. Und die Regierung wolle weitere 3,5 Milliarden US-Dollar bereitstellen, um sich den Herausforderungen zu stellen.

Das hilft den Grenzstädten wie El Paso im Moment aber nicht. Der Sender CNN zeigt immer wieder Bilder von Freiwilligen, die Kleidung und Decken an frierende Flüchtlinge verteilen - Sandra Grace Martinez ist eine der Helferinnen. Für die Menschen, sagt sie, gehe es um blanke Überleben.

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 21. Dezember 2022 um 05:14 Uhr.