Ein Mitglied der Einsatztruppen beobachtet eine brennende Hütte und ein Flugzeug.

Gefährdete Indigene Brasilien vertreibt illegale Goldgräber

Stand: 09.02.2023 04:55 Uhr

Angesichts der Not und des Elends bei der indigenen Volksgruppe der Yanomami geht die brasilianische Regierung gegen illegale Goldgräber in deren Gebiet vor. Beamte zerstörten logistische Einrichtungen und beschlagnahmten Waffen.

Kinder mit aufgedunsenen Hungerbäuchen und hervorstechenden Rippen, Männer und Frauen, abgemagert bis auf das Skelett, große Augen, die mit leerem Blick in die Kamera starren. Es sind die schockierenden Bilder einer Hungerkatastrophe, die in einem Land stattfindet, das zu den größten Lebensmittelproduzenten der Erde gehört.

"Früher gab es das alles nicht. Früher war unser Land ein gesunder Ort voller Schönheit, bis die Goldgräber kamen. Der Bergbau hat das Wasser verseucht, Malaria zu uns gebracht, die uns tötet. Und er hat den Hunger gebracht", erzählt Davi Kopenawa. "Kinder verlieren ihre Eltern, werden krank, können nicht mehr nach Nahrung suchen. Ich fühle, wie meine Seele weint, die Seele des Schamanen ist traurig und wütend. Weil ich Yanomami bin. Ich bin der Anführer meines Yanomami-Volkes."

Yanomami in Brasilien

Viele Yanomami-Kinder sind unterernährt und krank.

20.000 Eindringlinge verseuchen Schutzgebiet

Kopenawa ist die bekannteste Stimme des indigenen Yanomami-Volkes. 35.000 Menschen, die tief im Amazonas-Regenwald leben, auf einem Gebiet so groß wie die Schweiz, an der Grenze zu Venezuela. Wir erreichen den Schamanen per Videocall in New York. Dort hat er eine Ausstellung eröffnet, macht auf die humanitäre Katastrophe aufmerksam, die illegale Goldgräber im indigenen Schutzgebiet verursacht haben.

20.000 Eindringlinge sollen sich in dem von der Verfassung geschützten Reservat breit gemacht haben. Sie verseuchten die Umwelt, bedrohten die Yanomami und zerstörten so das soziale Gefüge, sagt Estevão Senra von der Nichtregierungsorganisation Instituto Ambiental, die die Yanomami seit Jahren begleitet: Zwischen 2020 und 2021 gab es mehr als 40.000 Malariafälle bei einer Bevölkerung von 30.000 Menschen. 570 Kinder im Alter von bis zu fünf Jahren starben an vermeidbaren Krankheiten wie Durchfall und Lungenentzündung.

Das sei eine Folge des illegalen Bergbaus, der das Wasser verseucht und Krankheiten einschleppe. "Die Camps sind außerdem Brutstätten für Moskitos. Zu all dem kommt in den vergangenen Jahren der Abbau des staatlichen Gesundheitssystems."

Bolsonaro half Yanomami nicht

Die Yanomami schlugen immer wieder Alarm, doch die Regierung von Ex-Präsident Jair Bolsonaro ignorierte mehr als 20 Hilfsgesuche. Mehr noch: Bolsonaro ermutigte Goldgräber, erklärte immer wieder, auch die Reservate für die wirtschaftliche Ausbeutung öffnen zu wollen, insbesondere das Land der Yanomami. Inzwischen ermittelt die Justiz gegen ihn - wegen unterlassener Hilfeleistung, Veruntreuung von öffentlichen Geldern und Umweltzerstörung.

"Seine Regierung hat unser Volk misshandelt. Jair Bolsonaro ist ein Völkermörder. Er tötete das Wasser, den Wald, die Fische und unsere Kinder. Die Goldgräber kommen, als ob unser Land ihr Eigentum wäre", sagt Kopenawa. "Aber die Goldsucher werden auch ausgebeutet, von Männern, die Geld und Macht haben. Reich sind die, denen die Flugzeuge gehören, die Goldgeschäfte, die Handel treiben mit dem Gold, an dem das Blut meines Volkes klebt".

 

Von Goldgräbern hinterlassene Verschmutzungen

Die Goldgräber hinterlassen Giftstoffe und Müll

Mächtige Gegner

Hinter dem Goldabbau am Amazonas stünden Investoren, eine ganze Mafia, sagt auch Danicley de Aguiar von Greenpeace Brasilien. Im Schutzgebiet gibt es Landepisten, Siedlungen mit Bars und Bordellen, Benzin und Nahrung und Waffen werden finanziert. Bei einem Überflug entdeckte Greenpeace kürzlich eine 120 Kilometer lange Straße, über die schweres Gerät wie Bagger und Pumpen in das Gebiet gebracht werden. Damit wird der Boden metertief ausgehoben. Zurück bleiben Kraterlandschaften, verseucht mit Quecksilber, das verwendet wird, um das Gold vom Flussschlamm zu trennen. 

"Es gibt Studien, die belegen, dass ein Großteil des aus Brasilien exportierten Goldes illegal abgebaut wurde, vor allem in drei indigenen Schutzgebieten, darunter das der Yanomami", erklärt de Aguilar. Dieses Gold gehe nach Kanada, nach Europa, nach Indien. "Die internationale Gemeinschaft muss dringend Maßnahmen dagegen ergreifen. So muss die EU den Amazonas dringend als Risikozone klassifizieren. Es reicht nicht, nur Hilfsgelder zu schicken, wir brauchen auch international verbindliche Regeln."

Brasiliens neuer Präsident Lula da Silva traf nun indigene Vertreter, die Regierung schickte Gesundheitspersonal und ließ Kranke ausfliegen. Dazu wurde eine große Sicherheitsoperation angekündigt: die illegalen Goldgräber sollen vertrieben werden.

Yanomami-Indianer in Brasilien

Kopenawa noch nicht überzeugt

Davi Kopenawa bleibt skeptisch - schon einmal wurden Goldgräber vertrieben, schon einmal kehrten sie zurück: "Ich bin misstrauisch, seit ich klein war, weil ich gesehen habe, was mit meinem Volk passiert ist", sagt er. "Ich kenne Präsident Lula. Aber ich glaube ihm seine Worte erst, wenn wirklich alle Goldgräber vertrieben sind. Darauf warte ich. Ich möchte ihn auch bitten, auf unserem Territorium ein Überwachungshaus zu bauen, damit die Goldsucher nicht zurückkehren."

Dafür brauche es mehr als eine militärische Operation, sagt Danicley de Aguiar von Greenpeace. Hinter dem illegalen Bergbau offenbare sich auch ein soziales Drama. Daher brauche es eine neue wirtschaftliche Agenda für die Amazonasregion - die auf eine Bio-Ökonomie mit dem Wald setze, nicht nur auf Zerstörung.

Anne Herrberg, Anne Herrberg, ARD Rio de Janeiro, 08.02.2023 22:07 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten am 09. Februar 2023 Deutschlandfunk um 05:00 Uhr sowie um 06:00 Uhr in den Nachrichten und BR24 um 12:09 Uhr.