Ein von Holden Beach (USA) aufgenommenes Foto, das den Abschuss des chinesischen Ballons zeigen soll.

Nach Ballonabschuss Warum das USA-China-Verhältnis so schwierig ist

Stand: 06.02.2023 09:27 Uhr

Ein mutmaßlicher chinesischer Spionageballon strapaziert das Verhältnis beider Supermächte. Für die USA bleibt China noch vor Russland die größte geopolitische Herausforderung - wie gefährlich könnte der Konflikt werden?

Warum hat ein mutmaßlicher chinesischer Spionageballon über den USA derart für Aufsehen gesorgt? Der Hintergrund ist die grundsätzliche Rivalität zwischen beiden Ländern. In den USA wird nicht Russland, sondern China als größte geopolitische Herausforderung gesehen, und auch eine Eskalation des Konflikts scheint zumindest denkbar.

Im Kern geht es in dieser Krise nicht um den abgeschossenen Ballon selbst. Ähnliche Überwachungsballons aus China sind schon früher über US-Territorium geflogen, Satelliten Chinas und auch der USA sammeln täglich Daten über das jeweils andere Land.

Es geht um etwas anderes: "Es geht viel mehr um das Verhalten Chinas insgesamt als um diesen einen Zwischenfall", so der demokratische Kongressabgeordnete Adam Smith im Fernsehsender CNN. Wie viele Republikaner im Kongress empfindet auch der Demokrat Smith Chinas Verhalten als zunehmend aggressiv: "China benimmt sich wie ein rücksichtloser Rüpel", so Smith.

In Zeiten "angespannter Beziehungen"

Dave Shullman, China-Experte bei der Denkfabrik Atlantic Council, formuliert die Bedeutung des Ballon-Zwischenfalls so: "Der Punkt ist, dass der Vorfall mitten in Zeiten ohnehin sehr angespannter Beziehungen passiert", sagt Shullman im Radiosender NPR. Chinas indirekte Unterstützung Russlands im Ukraine-Krieg, verschärfte US-Kontrollen bei Technologieexporten und natürlich der Konflikt um Taiwan hätten das Verhältnis beider Länder im vergangenen Jahr belastet.

Nach dem Treffen der Präsidenten Joe Biden und Xi Jinping beim G20-Gipfel in Bali hätte weitere Hoffnung auf dem nun abgesagten Besuch des Außenministers Antony Blinken in Peking gelegen. "Es ist fraglich, ob ein nachgeholter Besuch das noch leisten kann bei all den dunklen Wolken am Horizont", so Shullman.

Nach Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons nehmen Spannungen zwischen USA und China zu

Gudrun Engel, ARD Washington, tagesschau, tagesschau, 05.02.2023 20:00 Uhr

Spannungen wachsen an

Der Republikaner William Cohen, einst Verteidigungsminister des demokratischen Präsidenten Bill Clinton, ist kein Scharfmacher, sondern eher eine Stimme aus der Mitte des politischen Spektrums. Er spricht an, was viele in Washington denken: Ein Krieg mit China sei keineswegs ausgeschlossen, ob bewusst herbeigeführt oder ausgelöst durch ein Missverständnis. "Das könnte tatsächlich jeden Moment passieren. Wenn wir mit den Beziehungen zu China nicht richtig umgehen, wenn wir etwas tun oder sie etwas tun, was wir als Bedrohung betrachten oder umgekehrt, dann können wir uns in einem dritten Weltkrieg mit China befinden."

Umso wichtiger sei Diplomatie, so Cohen bei CNN. Die Blinken-Reise müsse stattfinden. "Es ist wichtig für unseren Außenminister, ein Treffen mit Präsident Xi erneut anzustreben, sobald es unter vernünftigen Umständen möglich ist."

USA halten China unter Beobachtung

Der Sicherheitsexperte und Buchautor Elbridge Colby, früher im Planungsstab des US-Verteidigungsministeriums, schätzt die Kriegsgefahr so ein: "Es gibt die sehr realistische Sorge, dass es in diesem Jahrzehnt einen Krieg mit China geben könnte", so Colby im ARD-Interview. "Wenn Sie mit US-Regierungsvertretern sprechen, gibt es höchstens Unterschiede in der Einschätzung, wie hoch genau die Wahrscheinlichkeit ist, und wann ein Krieg stattfinden kann."

Der US-Luftwaffengeneral Mike Minihan habe erst kürzlich gewarnt, es könne schon 2025 einen Krieg mit China geben, so Colby weiter. Der als nüchtern und besonnen geltende CIA-Chef William Burns hätte außerdem klar und deutlich die Möglichkeit eines Einmarschs der Chinesen bis 2027 in Taiwan skizziert. "Wir haben 2023. Für Militärplaner ist 2027 nur einen Wimpernschlag entfernt", sagt Colby.

Colby teilt außerdem die Sicht von US-Marinegeneral David Berger. Der habe betont: "Niemand kann sicher sein, ob und wann es zum Krieg mit China kommt. Aber: Die USA und ihre Verbündeten müssen vorbereitet sein. Denn a) es kann jederzeit passieren und b) je besser wir vorbereitet sind, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es passiert."

Ralf Borchard, Ralf Borchard, ARD Washington, 05.02.2023 05:54 Uhr