
Paraná-Fluss Südamerikas Lebensader in Gefahr
Der Paraná-Fluss führt so wenig Wasser wie seit Jahrzehnten nicht mehr, dabei ist er die Lebensader für viele Landstriche in Südamerika. Auch hier ist Urwaldzerstörung eine Ursache - mit dramatischen Folgen.
Überall wirbelt Staub auf, Hunderte Meter weit sieht man nichts als Sand. Was wie eine Wüste wirkt, ist eigentlich das Bett eines der längsten Ströme Südamerikas. "Ein Fluss wie das Meer" wurde er einmal in einer Fernsehdokumentation genannt. Doch der Paraná führt derzeit so wenig Wasser wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr. In der argentinischen Flusshafenstadt Rosario wurde zuletzt ein Pegelstand von 90 Zentimetern gemessen. Der Durchschnittswert seit 1996 liegt bei 3,5 Metern.
Der Paraná ist nicht irgendein Fluss, sondern eine mehr als 4000 Kilometer lange Lebensader für weite Teile Brasiliens, Argentiniens und Paraguays. Auf ihm werden in normalen Zeiten unzählige Tonnen Soja und Fleisch für den Welthandel transportiert. In Argentinien verschiffen sie 80 Prozent der Exporte über ihn. Zudem ist er Trinkwasserquelle für Millionen Menschen und speist Kraftwerke, von denen riesige Landstriche abhängen.

Noch ist vor der argentinischen Stadt Rosario die Schifffahrt möglich. Doch der Pegel des Paraná ist auch hier gesunken.
Eine absehbare Entwicklung
Der derzeitige Notstand kommt für Experten nicht überraschend: Seit Monaten warnen Meteorologen, dass im Quellgebiet des Paraná, in den südlichen brasilianischen Bundesstaaten Minas Gerais, Goiás, Mato Grosso do Sul, São Paulo und Paraná sonst übliche Niederschläge ausbleiben. Laut brasilianischem Wetterdienst handelt es sich um die geringsten Regenfälle seit mehr als 90 Jahren. Die Folgen spüren jetzt Millionen Menschen.
In Argentinien wurde in mehreren Provinzen der Wassernotstand verhängt. Dieser gilt bereits seit Mai in großen Teilen Süd-Brasiliens. Für die Menschen im Bundesstaat São Paulo wurde das Trinkwasser rationiert. So darf dieses in der Stadt Tietê nicht mehr zum Waschen von Autos oder Auffüllen von Schwimmbädern verwendet werden.
Andernorts wird an zwei Tagen pro Woche die Trinkwasserzufuhr abgestellt. In dem besonders stark betroffenen Ort Rio das Pedras gibt es sogar täglich zwischen 10 und 18 Uhr kein Trinkwasser mehr.
Blackouts drohen
Weiteres Kopfzerbrechen bereitet den Behörden die Lage an den zahlreichen gigantischen Wasserkraftwerken. Denn die extrem niedrigen Pegelstände bedrohen die Stromversorgung in Argentinien und Brasilien. Die Sorge vor einem Blackout ist groß. Gaskraftwerke sollen in Argentinien den Ausfall der Energieproduktion ausgleichen.
Für Landwirte hat der Mangel an Niederschlägen - und zuletzt auch Frost - zu Ernteausfällen bei der Kaffee- und Maisproduktion geführt. Vor allem den gestiegenen Kaffeepreis dürften deutsche Konsumenten derzeit zu spüren bekommen.
Gleichzeitig ist die sich ausbreitende Agrarproduktion auch einer der Verursacher dieser Wasserkrise. Denn für sie wird mehr Wasser aus dem Paraná und seinen Nebenflüssen gebraucht. Außerdem werden für neue Agrarflächen wasserspeichernde Wälder abgeholzt. Die jahrzehntelang andauernde Urwaldzerstörung hat in Brasilien das Mikroklima und den Wasserkreislauf spürbar verändert.

Ein ungewöhnliches Phänomen für Brasilien: Frost im Bundesstaat Minas Gerais. Auch dieses Klimaextrem belastet die Bauern in der Region.
Wälder müssen weichen - für Soja und Rinder
Als größte Treiber gelten die Soja- und Rindfleischproduktion. Wo zuvor noch Urwaldriesen standen, weiden später Rinder oder wachsen Soja-Bohnen, die zu Brasiliens profitabelsten Exportprodukten gehört. Die verheerenden Brände der vergangenen Jahre haben die Urwald-Zerstörung zudem weiter beschleunigt.
2020 und 2021 sind vielerorts extrem trockene Jahre, weswegen Forscher von Klimaextremen sprechen, die neben dem niedrigen Pegelstand des Paraná-Flusses auch im Binnen-Feuchtgebiet Pantanal zu beobachten sind, wo 2020 bei extremer Hitze verheerende Brände wüteten. Ab August wird dort erneut mit zahlreichen Bränden gerechnet.
Trockenheit bleibt eine Herausforderung
Am Unterlauf des Paraná in Argentinien heben sie nun das Flussbett mit Baggern aus. Die Vertiefung ist eine Maßnahme, die kurzfristig hilft, Südamerikas so wichtige Exportader am Leben zu halten. Zukünftig dürfte Trockenheit eine zunehmende Herausforderung für die Wirtschaft der Region darstellen.
Auch der Tourismus könnte darunter leiden: Denn der weltberühmte Wasserfall von Iguazú, der sich sonst über mehrere Hundert Meter an einem Paraná-Nebenfluss gewaltig in die Tiefe ergießt, glich zuletzt einer Ansammlung von Rinnsaalen.