Alvin Bragg
Porträt

Alvin Bragg Der Mann, der Donald Trump anklagt

Stand: 31.03.2023 08:30 Uhr

Er stammt aus dem New Yorker Problemviertel Harlem und wurde dort mehrfach mit Waffen bedroht - deshalb sei er Jurist geworden, sagt Alvin Bragg. Als Oberstaatsanwalt klagt er Ex-Präsident Trump an. Was treibt ihn an?

Dass es ausgerechnet Alvin Bragg ist, der Donald Trump - als ersten ehemaligen US-Präsidenten in der Geschichte - anklagt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn als Bragg Anfang 2022 sein Amt als leitender Oberstaatsanwalt von Manhattan antrat, sorgte er erstmal für Wirbel, als er klarmachte, dass er Trump im Zusammenhang mit dem Finanzgebaren seines Firmenimperiums nicht verfolgen werde.

Zwei ranghohe Staatsanwälte kündigten daraufhin und warfen Bragg vor, zu zaghaft gegen den Ex-Präsidenten vorzugehen, was Bragg jedoch stets zurückwies:

Seit über 20 Jahren habe ich als Staatsanwalt gegen alle ermittelt: Demokraten, Republikaner, Unabhängige, gegen Ex-Staatsanwälte, einen FBI-Agenten und Bürgermeister. Ich richte mich nur nach den Fakten, unabhängig von der Partei: Was hat wer getan - und was sagt das Gesetz dazu?

Sechsmal mit Schusswaffen bedroht

Der heute 49 Jahre alte Bragg wuchs im Stadtteil Harlem auf - ein besonders hartes Pflaster in einer Zeit, in der New York ohnehin als die gefährlichste Stadt der Welt galt. Noch vor seinem 21. Geburtstag sei er dort sechsmal mit Schusswaffen bedroht worden. Das sei der Grund, warum er Jura studiert habe, so Bragg. "Ich bin auf dem Höhepunkt der Crack- und Kokain-Epidemie aufgewachsen. Dreimal haben Polizisten bei gesetzeswidrigen Kontrollen die Waffe auf mich gerichtet. Dreimal haben mich Leute bedroht, die keine Polizisten waren. Mein Ziel ist es, öffentliche Sicherheit und Fairness in Einklang zur bringen - daran arbeite ich seit über 20 Jahren."

Nach dem Studium an der Elite-Universität Harvard arbeitete Bragg zwei Jahrzehnte auf beiden Seiten - als Staatsanwalt und als Strafverteidiger. Im Herbst 2021 wurde er dann zum leitenden Oberstaatsanwalt von Manhattan gewählt - als erster Schwarzer überhaupt: "Das ist auf eine symbolische Art wichtig, aber auch auf eine ganz substanzielle. Ich bin der erste Schwarze in diesem Amt. Aber auch der erste, der vieles am eigenen Leib erfahren hat - und damit nachvollziehen kann, wie die Leute das Strafjustizsystem erleben."

"Meine oberste Priorität sind Schusswaffen"

Diese Erfahrungen bestimmten auch seine Agenda, sagt der zweifache Familienvater. Zwei Tage nach Übernahme des Amtes gab er die Anweisung, weniger Ressourcen für die Verfolgung von Drogendelikten oder Prostitution zu verwenden und stattdessen stärker schwere Gewaltverbrechen zu verfolgen: "Meine oberste Priorität sind Schusswaffen. Das sage ich seit Jahrzehnten. Ich hatte schon mal eine halbautomatische Waffe am Kopf. Und ich bin auch schon mal beschossen worden. Ihr braucht mir nichts über Schusswaffen erzählen - ich weiß darüber Bescheid."

Schon da schlug ihm heftige interne Kritik entgegen, auch innerhalb der Polizei. Und natürlich aus konservativen politischen Kreisen - erst recht nach der Entscheidung, die Ermittlungen gegen Trump wegen der Schweigegeldzahlung an den Pornostar Stormy Daniels voranzutreiben. Für die Republikaner im US-Repräsentantenhaus ist diese "politisch motiviert" und ein "beispielloser Missbrauch" seiner Amtsbefugnisse. Zuletzt warf Trump Bragg vor, er sei ein "Rassist", der "Mörder, Vergewaltiger und Drogendealer frei herumlaufen" lasse.

Mitglied der Demokraten

Bragg selber erklärte dazu: "Ich verfolge nicht, was gesagt oder gepostet wird. Ich konzentriere mich auf die Arbeit. Wir prüfen Dokumente, wir sprechen mit Zeugen. Klar bekommt man trotzdem die Kommentare mit und was sonst gesagt wird. Aber unser Fokus liegt auf den Beweisen und dem Gesetz."

Aber natürlich hat das Amt auch eine politische Dimension. Oberstaatsanwälte wie Bragg werden in den USA gewählt - und der 49-Jährige gehört der Demokratischen Partei an. Und: Staatsanwälte haben einen großen Ermessensspielraum, welche Fälle sie zur Anklage bringen und welche nicht.

Straftaten auf Straßen und in Suiten

Konfrontiert mit solchen Vorwürfen verweist Bragg gerne auf einen seiner Vorgänger, den legendären Robert Morgenthau, der in seiner 35-jährigen Amtszeit Mafiosi, Politiker, Wall-Street-Banker, Killer und Vergewaltiger anklagte: "Er sagte immer: 'Wir verfolgen Straftaten auf den Straßen und in den Suiten - wir können also gleichzeitig Wirtschaftskriminalität und Gewaltverbrechen bekämpfen.'"

Dazu passt, was Morgenthau 2019 kurz vor seinem Tod sagte - auf die Frage, was denn seine größte Furcht sei. Seine Antwort lautete: "Trump."

Peter Mücke, Peter Mücke, ARD New York, 31.03.2023 07:30 Uhr

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 31. März 2023 um 06:48 Uhr auf NDR Info.