
Politische Führung festgenommen Schon wieder ein Putsch in Mali?
Seit September ist die Übergangsregierung im westafrikanischen Mali im Amt - und schon steckt das Land in der nächsten politischen Krise. Gestern wurden der Interimspräsident und sein Regierungschef festgenommen.
Chaotische Nachrichten überraschten viele in der Hauptstadt Bamako am Dienstagmorgen: Malis Übergangspräsident Bah Ndaw und Ministerpräsident Moctar Ouane waren am Montag von Sicherheitskräften festgenommen worden. Hamidou Digoyé aus der Hauptstadt ist frustriert: "Wir haben genug von diesen ständigen Verhaftungen durch das Militär. Sie greifen Menschen an, entweder um sie zu töten, oder um sie zu verhaften - und wir wissen nie, warum."
Es klingt ein bisschen wie im vergangenen August. Damals entmachteten Teile des malischen Militärs durch einen Putsch den umstrittenen Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita. Er wurde damals zusammen mit anderen Regierungsvertretern festgenommen. Zuvor hatten in Malis Straßen wochenlang Menschen gegen ihn demonstriert. Sie hatten Keita unter anderem vorgeworfen, er bekäme die schwierige Sicherheitslage im Land nicht in den Griff.
Kampf um die Aufteilung der Macht
Demonstrationen gab es auch in den vergangenen Tagen. Die Stimmung im Land sei weiterhin schlecht, erklärt der politische Analyst Bassirou Ben Doumbia. "Wir befinden uns in einem Land, das heute eine Regierungskrise erlebt. Sein kontrolliertes Territorium und zwei Drittel seines Territoriums werden von dschihadistischen Bewegungen kontrolliert."
Seit einer Woche streikten wieder die Arbeitnehmer, was die Volkswirtschaft schwäche und das Vertrauensverhältnis schwäche - zwischen dem Arbeitgeber, der der Staat sei, und den Arbeitnehmern, die die Arbeiter seien, so Bassirou Ben Doumbia weiter. Gleichzeitig befänden sie sich in einem politischen Kampf und in einem Kampf um die Aufteilung der Macht im Land.
Neuwahlen sollen stattfinden
Wenige Stunden nachdem Übergangspräsident Ndaw und sein Premier von Militärs am Montagabend mitgenommen worden waren, wurde am Dienstag im malischen Staatsfernsehen ihre Absetzung verkündet. Oberst Assimi Goita, ein Kopf der putschenden Militärs, wirft ihnen Sabotage im politischen Übergang vor. Die angekündigten Neuwahlen innerhalb von 18 Monaten sollen trotzdem wie angekündigt 2022 stattfinden.
Verantwortungslos sei das, was gerade passiert, kommentiert Thomas Schiller, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung im Sahel mit Sitz in Malis Hauptstadt Bamako: "Was jetzt schon feststeht, ist, dass das keine gute Nachricht für eine gelungene Übergangsperiode ist. Denn egal, wie das jetzt ausgeht, haben damit natürlich die Militärs der Junta zumindest indirekt gezeigt, was sie von dem ganzen Prozess halten."
Erst Anfang des Jahres hatte sich die Militärjunta auf Druck der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS aufgelöst. Die neue Übergangsregierung unter Präsident Bah Ndaw hatte die Aufgabe, die Verfassung zu reformieren und innerhalb von 18 Monaten Wahlen zu organisieren.
Staat komplett dysfunktional
Grund für den Unmut einiger Militärs jetzt könnte eine Umbildung dieser Übergangsregierung sein, bei der einige Militärs ihre Posten verloren hatten. Solche politischen Ränkespiele könne sich der Krisenstaat nicht leisten, erklärt Thomas Schiller von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die neue Krise sei ein Drama, weil politische Reformen nicht stattfinden könnten, so der Experte. Viele der bewaffneten Gruppen lebten von der Schwäche und Dysfunktionalität des malischen Staates.
Wieso soll ich als malischer Bürger etwa Solidarität aufbringen, wenn sich alles in der Hauptstadt Bamako im Kreise dreht und man den Eindruck hat, dass die politische Klasse nur an solchen Spielchen interessiert ist, aber eben nicht an der politischen Verantwortung für das Land?
Militär schon lange Teil des Problems
Malis Militär bleibt weiterhin mächtig und ist schon lange auch Teil des malischen Problems. Bürger und internationale Organisationen werfen Malis Armee regelmäßig Korruption und schwere Menschenrechtsverletzungen vor - Teile dieser Armee wollen im Land das Sagen haben. Gleichzeitig werden regelmäßig Sicherheitskräfte Opfer von terroristischen Angriffen. Auch weil Malis Armee als unzureichend ausgebildet und schlecht ausgerüstet gilt - ein leichtes Ziel für Terroristen.
Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS hat angekündigt, eine Vermittlungskommission nach Bamako zu schicken. Wie damals, vor einem Jahr.