
Kenia Taktisches Spiel mit Flüchtlingslagern
Kenia droht damit, die großen Flüchtlingslager Dadaab und Kakuma zu schließen, in denen eine halbe Million Menschen gestrandet sind. Die Regierung in Nairobi hat den UN ein Ultimatum gestellt. Was bezweckt sie damit?
Kenia gehört zu den wichtigsten Aufnahmeländern für Flüchtlinge in Afrika. In dem ostafrikanischen Land herrschen vergleichsweise Stabilität und Frieden - im Gegensatz zu den Nachbarländern. Eine halbe Million Menschen aus der Region sind so allein in den Lagern Dadaab und Kakuma gestrandet. Manche harren hier schon seit Jahrzehnten aus. Darüber hinaus gibt es fast hunderttausend Flüchtlinge in den größeren Städten Nairobi, Mombasa oder Nakuru.
Doch nun hat die kenianische Regierung dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ein 14-tägiges Ultimatum gestellt, das heute endet - das Flüchtlingshilfswerk organisiert mit anderen Hilfsorganisationen die Lager. Die Regierung fordert einen Fahrplan zur Schließung von Dadaab und Kakuma. Innenminister Fred Matiang'i erklärte nach Angaben seines Ministeriums, in dieser Frage gebe es "keinen Raum für weitere Verhandlungen". Binnen vier Monaten sollen alle Bewohner umgesiedelt werden, sonst würden diese an die Grenze zu Somalia gebracht, so heißt es.

Nahezu endlos erstreckt sich das Flüchtlingslager Dadaab - nun droht erneut die Schließung. Bild: REUTERS
Aus Lagern wurden Großstädte
In Dadaab im Nordosten des Landes leben derzeit fast 220.000 Menschen - hauptsächlich aus Somalia. Mit Beginn des somalischen Bürgerkriegs Anfang der 1990-er Jahre wuchs Dadaab unaufhörlich. Zu Spitzenzeiten galt es als das größte Flüchtlingslager der Welt.
Das Camp besteht aus Tausenden Zelten und Häusern, umgeben von karger Landschaft. Dadaab hat sich über die Jahre zu einer Stadt entwickelt. Es gibt einfache Läden, Marktplätze, Schulen und Moscheen. 2011 folgte eine zweite Welle somalischer Geflüchteter aufgrund von Dürre und Hungersnot. Ähnlich groß ist das Lager in Kakuma im Nordwesten: Hier leben derzeit etwa 206.000 Flüchtlinge vor allem aus dem Südsudan.

Nicht das erste Ultimatum
Die kenianische Regierung hat allerdings in den vergangenen Jahren schon mehrfach versucht, das Lager Dadaab zu schließen. Die Politiker befürchten, dass extremistische somalische Gruppen wie die Al-Schabaab-Miliz dort ihre Kämpfer rekrutieren.
Die Terrorgruppe hatte sich zu verschiedenen Anschlägen in Kenia - unter anderem auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi im Jahr 2013, die Universität Garissa 2015 und das Hotel "DusitD2" in Nairobi 2019 bekannt. Nach Angaben von Amnesty International gibt es aber keine Hinweise auf erhöhte Sicherheitsrisiken in den Lagern, die eine Schließung rechtfertigen würden.
Dafür haben sich die Beziehungen zwischen Somalia und Kenia verschlechtert. Mogadischu brach im vergangenen Jahre die diplomatischen Beziehungen ab und warf Kenia vor, sich in die inneren Angelegenheiten einzumischen. Zudem streiten die beiden Staaten sich vor dem Internationalen Gerichtshof um den Verlauf der Seegrenze.

Müssten die Flüchtlinge zurück nach Somalia, stünden sie vor dem Nichts. Bild: AFP
UNHCR dringt auf Dialog
Hassan Khannenje vom HORN Internationalen Institute for Strategic Studies Nairobi plädiert dafür, dass die Länder der Region und die gesamte internationale Gemeinschaft und die Region nach Wegen suchen, um die Last zu teilen. Es müsse insbesondere in den Herkuftsländern ein Umfeld geschaffen werden, das eine sichere Rückführung von Flüchtlingen ermöglicht, sagte er. Denn: "Für Flüchtlinge wäre es äußerst riskant und gefährlich, in ihre Länder zurückzukehren, in denen die meisten von ihnen wirklich nichts haben. Sie haben möglicherweise kein Essen und vor allem überhaupt keinen Schutz."
Sollte Kenia dieses Mal ernst machen, wäre das insbesondere für Somalia ein Desaster, sagt Khannenje: "Das Nachbarland wäre nicht in der Lage, diese Flüchtlinge überhaupt aufzunehmen. Und so kann es zu einer humanitären Katastrophe kommen, die wir so auf dem afrikanischen Kontinent in letzter Zeit noch nicht gesehen haben."