
Humanitäre Krise Hält die Waffenruhe im Jemen?
Im Jemen macht sich durch die neue Waffenruhe Hoffnung auf Frieden breit. Doch dieser ist äußerst brüchig - und der Krieg in der Ukraine macht die ohnehin katastrophale humanitäre Lage noch schwieriger.
Der Markt in Jemens Hafenstadt Aden ist gut besucht. Frauen drängeln sich an den Gemüseständen, Männer schieben Karren mit Früchten. Auch in Sanaa sind die Straßenkreuzungen belebt, Autos stauen sich. Bilder der Nachrichtenagentur Reuters zeigen ein fast normales Leben, das offenbar zumindest teilweise im Jemen wieder eingekehrt ist. Denn bislang scheint die landesweite Waffenruhe zu halten.
Der UN-Sondergesandte für den Jemen, Hans Grundberg, spricht von einem Durchbruch:
Seit Beginn der Waffenruhe gibt es mutmachende Signale. Es gab deutlich weniger Gewalt und keine Luftangriffe mehr. Die Benzinimporte laufen wieder an. Kommerzielle Flüge nach Sanaa könnten vielleicht wieder stattfinden, zum ersten Mal seit sechs Jahren. Die Auswirkungen der Waffenruhe auf das Leben der Bürger und auch als Symbol sollten nicht unterschätzt werden.
Präsident Hadi gibt Macht ab
Dazu kommt eine überraschende politische Veränderung: Vor wenigen Tagen trat der bisherige jemenitische Präsident Hadi zurück und übergab seine Macht an einen Präsidialrat. Auch das eine Perspektive für Verhandlungen?
"Es macht den Menschen im Norden und Süden Hoffnung, dass es Friedensgespräche geben wird", so der jemenitische Verleger Adib Alsayed. "Wir wünschen uns, dass alle Parteien an den Gesprächen teilnehmen, denn es geht um das Schicksal unseres Landes."
Beobachter: Pattsituation Grund für Waffenruhe
Im Jemen kämpfen die Truppen des ehemaligen Präsidenten Hadi, der von einer saudisch-geführten Militärkoalition unterstützt wird, gegen die Huthi-Rebellen, die das Land 2014 überrannten. Die Huthis erhalten wiederum Hilfe aus dem Iran. Deswegen gilt der Jemenkonflikt als Stellvertreterkrieg der beiden Regionalmächte und wurde bislang immer weiter befeuert. Vor allem in der Region um Marib tobten zuletzt heftige Kämpfe - die Stadt gilt als strategisch entscheidend, da in der Gegend Öl liegt.
Der Grund für die nun vereinbarte zweimonatige Waffenruhe sei eine Pattsituation der Gegner, so Beobachter - weder für die Huthis noch für die Saudis ist offenbar ein Sieg in greifbarer Nähe. Der mit Hilfe der Saudis eingesetzte Präsidialrat spricht dafür, dass Saudi-Arabien offenbar einen Ausweg aus dem viel kritisierten Jemen-Einsatz sucht, indem alle Gegner der Huthis an einen Tisch geholt werden - Angriffe der Huthis hatten zuletzt auch in Saudi-Arabien Opfer gefordert.
Brüchige Ruhe
Doch die Huthi Rebellen dämpften den Optimismus auf Frieden: Hadis Rücktritt sei eine Farce, sagte ein Sprecher der Rebellen. Frieden werde es erst geben, wenn die ausländischen Truppen abgezogen würden. Auch viele Bürger befürchten, dass es keinen politischen Neuanfang gibt.
"Der Machtwechsel von Hadi zu dem Präsidialrat macht keinen Unterschied", so dieser Bewohner aus Sanaa. "Aber wir sehnen uns so sehr nach Frieden, wir sehen uns nach Sicherheit, nach niedrigeren Preisen, nach einer Wiedereröffnung der Häfen und Flughäfen."
Krieg in der Ukraine macht Krise noch schlimmer
Im Jemen herrscht die laut UN schlimmste humanitäre Krise der Welt: Täglich verhungern Kinder. Zu der angespannten politischen Lage im Land kommt ein weiteres Problem: Durch den Krieg in der Ukraine wird die Lebensmittelversorgung noch schwieriger.
"Wenn der Krieg zwischen Russland und der Ukraine so weitergeht, steigen die Weizenpreise hier noch mehr", so Ali Al-Kabous, ein jemenitischer Weizenhändler. "Und auch die Ölpreise steigen. Das wird eine weitere schwere Last für die Menschen."
Schon jetzt können sich viele Menschen die teuren Lebensmittel kaum noch leisten. Und beim Mehl ist sich Bäcker Mohammed nicht sicher, wie lange das überhaupt noch verfügbar ist
Noch gibt es Mehl auf dem Markt, aber wir befürchten, dass es bald ausverkauft ist. Wir fordern die Händler auf, mehr zu importieren und die Behörden fordern wir auf, Bauern zu unterstützen, damit mehr Getreide im Jemen angebaut wird und wir uns selbst versorgen können.
Die Hoffnung bleibt
Ob das angesichts von etwa 50 Kampffronten im Land überhaupt möglich sein könnte, ist unklar. Wichtig sei auch deshalb, dass die Waffenruhe weiter hält, so der UN-Sondergesandte Hans Grundberg:
Die kommenden Wochen sind ein Test für die Kriegsparteien, ob sie ihr Wort halten. Es ist an der Zeit, Vertrauen aufzubauen - und das ist nicht leicht nach sieben Jahren Krieg. Wir müssen diesen Moment nutzen, um für ein Ende des Konflikts zu sorgen.
Doch ein wirkliches Ende des Krieges - das ist im Jemen momentan nicht mehr als eine vorsichtige Hoffnung.