Ein Smartphone mit dem Code eines "Grünen Passes" in Israel

Corona-Maßnahmen Israel schafft Grünen Pass weitgehend ab

Stand: 07.02.2022 03:23 Uhr

In Israel gibt es derzeit so viele schwer an Corona Erkrankte wie noch nie. Dennoch wird dort der "Grüne Pass" als Zugangserlaubnis in vielen Bereichen abgeschafft. Die Meinungen dazu gehen auseinander.

Von Benjamin Hammer, Tel Aviv

Das Krankenhaus Hadassah Ein Kerem in Jerusalem betreibt eine der größten Corona-Stationen Israels. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mittlerweile Erfahrung im Umgang mit dem Virus. Die Erschöpfung nach zwei Jahren der Pandemie ist aber groß. Das liegt auch daran, dass es in Israel nun so viele schwer Erkrankte gibt, wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Es sind mehr als 1250, eine sehr hohe Zahl für das kleine Israel.

"Es ist nicht mehr wie zu Beginn der Pandemie", sagt Yoram Weiss, Direktor des Krankenhauses gegenüber der Agentur Reuters. "Damals hatten alle noch Energie. Heute sind sie sehr müde." Man habe nun manche OP-Abteilungen geschlossen und die Zahl der Operationen reduziert. "In den Abteilungen für Innere Medizin haben wir die Zahl der Patienten reduziert, damit mehr Personal für die Covid-Patienten zur Verfügung steht."

Inzidenz weiterhin extrem hoch

Israels Krankenhäuser befinden sich im Krisenmodus. Die Sieben-Tage-Inzidenz nimmt zwar ab, ist mit über 4500 aber weiterhin eine der höchsten der Welt. 300 Menschen starben innerhalb von einer Woche an oder mit Covid-19.

Die Lage in Israel ist also angespannt. Dennoch hat die Regierung beschlossen, den sogenannten Grünen Pass in vielen Bereichen abzuschaffen. Der war bislang so etwas wie die Eintrittskarte ins öffentliche Leben. Für Museen, Konzerte und Restaurants. Vergeben wurde der digitale Ausweis an Geimpfte, Genesene und Getestete - mit unterschiedlichen Ablauffristen.

Pass suggeriert falsche Sicherheit

Hagai Levine ist Epidemiologe an der Hebräischen Universität in Jerusalem.  Dass die Grünen Pässe weitgehend abgeschafft werden, kann er gut nachvollziehen: Mit der Omikron-Variante stecken sich die Leute leider auch nach drei und - laut ersten Daten - nach vier Impfdosen an. Im Vergleich zu anderen Varianten schützen Impfungen also nicht ausreichend vor einer Übertragung. Das ist der Grund, weniger auf den 'Grünen Pass' zu setzen."

Nur noch in sogenannten Hochrisikobereichen bleibt der Nachweis erhalten. In Alten- und Pflegeheimen etwa oder auf großen Hochzeitsfeiern. In Restaurants, Kinos und Theatern heißt es ab heute aber: Jede und jeder darf rein. Ohne Impfnachweis. Und: ungetestet. Ein 2G-Plus-Modell wird in Israel also ganz bewusst nicht eingeführt.

"Können wir die Leute weiterhin zwingen, sich die ganze Zeit testen zu lassen? Nein", sagt Levine. "Bei der öffentlichen Gesundheit geht es darum, dass die Menschen ihre eigenen Entscheidungen treffen. Wenn jemand ein Risikopatient ist und trotzdem ins Theater gehen will: Okay, dann soll er gehen dürfen. Wir unterschätzen nicht die Risiken. Wir glauben einfach, dass die Öffentlichkeit für sich verantwortlich ist."

Mediziner sehen keinen Grund für Entwarnung

Auch beim medizinischen Personal in Israel gebe es mittlerweile eine Corona-Müdigkeit, sagt der Arzt. Eine Sehnsucht, dass der Corona-Krieg endlich vorbei ist. So sei es aber nicht, sagt der Epidemiologe. "Die Regierung muss der Öffentlichkeit deutlich machen, dass die Lage weiterhin gefährlich ist. Dass die Menschen vorsichtig sein müssen."

Israel setzt dabei weiterhin auf Impfungen. Bietet allen Israelis über 60 und Jüngeren mit Vorerkrankungen eine vierte Dosis an. Auch, um schwere Verläufe zu verhindern. An dieser Stelle gibt es von manchen Expertinnen und Experten Kritik. Sie finden es gar nicht gut, dass der "Grüne Pass" weitgehend abgeschafft wird. Denn der Anreiz, sich impfen zu lassen, könnte sinken. Die Impfquote beim vermeintlichen Impfweltmeister Israel ist tatsächlich niedriger als in vielen europäischen Ländern.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Kultur am 07. Februar 2022 um 08:11 Uhr.