
Afghanistan Anschlag auf Geburtsklinik in Kabul
Stand: 12.05.2020 18:50 Uhr
Zwei blutige Anschläge erschüttern Afghanistan: Ein Attentäter sprengte sich auf einer Beerdigung in die Luft. In Kabul stürmten Angreifer eine Geburtsklinik. Unter den Toten sollen auch Neugeborene sein.
Von Silke Diettrich, ARD-Studio Neu-Delhi
Bei zwei Anschlägen in Afghanistan sind mindestens 40 Menschen getötet worden. Ein Angriff galt der Entbindungsstation eines Krankenhauses in Kabul. Mit Helm, in Uniform und dem Gewehr über der Schulter trugen Soldaten hastig Bündel mit kleinen Kindern aus der Station. Videos davon machten in den sozialen Netzwerken die Runde. "Es ist jenseits des Horrors" oder "Das Gemetzel geht unvermindert weiter“, kommentierten Afghanen.
Zwei Babys konnten die Soldaten nicht retten, sie starben bei dem Anschlag, genau wie mindestens elf Mütter und Krankenschwestern. Ein Augenzeuge sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Da kam ein Mann angelaufen, in einer Polizeiuniform. Der hat auf die Sicherheitsleute geschossen und sogar auf Frauen, die vor dem Krankenhaus gestanden haben."
Angriff dauerte Stunden
Auch das afghanische Innenministerium bestätigte, dass die Angreifer Polizeiuniformen getragen hätten. Sie sollen Handgranaten geworfen haben und seien dann mit Gewehrschüssen in die Klinik gestürmt. Es dauerte Stunden, bis die afghanischen Sicherheitskräfte die Angreifer überwältigen konnten, das bestätigte auch ein Arzt, der den Angriff überlebte.
"Als wir die Schüsse und Explosionen gehört haben, sind wir in die gepanzerten Sicherheitsräume gelaufen. Mehr als vier Stunden haben wir dort gesessen. Die Angreifer haben auf die Tür geschossen, aber sie haben es nicht geschafft, herein zu kommen. So haben wir uns retten können", sagte Doktor Hussain der Nachrichtenagentur AP.
Schiiten vermehrt Anschlagsziele
Der Mediziner gehört der Bevölkerungsgruppe der Hazara an, wie die meisten Menschen in dem Stadtteil, in dem das Krankenhaus liegt. Die Hazara bilden die drittgrößte Bevölkerungsgruppe in Afghanistan, die meisten von ihnen sind Schiiten. Schon oft hat der so genannte Islamische Staat, deren Mitglieder Sunniten sind, blutige Anschläge auf die Hazara in Afghanistan verübt.
Die Terrorgruppe tauchte vor sechs Jahren im Osten von Afghanistan auf, rund 5000 Kämpfer sollen sich dort angesiedelt haben. Vor allem in der östlichen Provinz Nangarhar, in der der zweite große Anschlag stattfand. Zu diesem Attentat bekannte sich die Terrororganisation inzwischen.
24 Tote bei Begräbnis
In Nangarhar sprengte sich ein Selbstmordattentäter während einer Beerdigung eines Polizeikommandanten in die Luft. Mehr als 70 Menschen wurden verletzt, 24 starben. Vor dem Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Dschalalabad bildeten sich Schlangen von Männern, die Verwundete auf Baren trugen oder sie stützten, um sie zu den Ärzten bringen zu können.
Es war ein sehr blutiger Tag für das Land, mit vielen zivilen Opfern: darunter Neugeborene, Mütter, Krankenschwestern und Trauergäste. Zeitgleich flogen die USA einen Luftangriff im Norden, bei dem mindestens zehn Menschen gestorben sein sollen und viele verletzt wurden.
Anschläge auf Zivilisten in Afghanistan
Silke Diettrich, ARD Neu-Delhi
12.05.2020 17:40 Uhr
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