
Tod von Sami ul-Haq "Vater der Taliban" ermordet
Stand: 03.11.2018 12:56 Uhr
Er galt als "Vater" der Taliban : Der pakistanische Geistliche Maulana Sami ul-Haq ist bei einem Messerangriff ums Leben gekommen. Die Sicherheitskräfte sind in Alarmbereitschaft.
Von Silke Diettrich, ARD-Studio Neu-Delhi
Männer mit langen Bärten drängeln sich um eine Krankenbahre. Darauf liegt, mit einem Tuch abgedeckt, der leblose Körper von Maulana Sami ul-Haq. Die Menschen betrauern ihren Maulana, das ist ein religiöser Titel und bedeutet: "unser Meister".
Alle hier, sagt einer seiner Nachbarn in der nordpakistanischen Millionenstadt Rawalpindi, hatten großen Respekt vor ihm.
"Ich habe gesehen, wie seine Familie ihn in den Krankenwagen gebracht hat", berichtet er. "Ich bin gleich mit zum Krankenhaus." Schüsse habe er nicht gehört. "Sein Leibwächter hat 'unseren Meister' blutend auf dem Boden liegen sehen. Er sagt, er sei erstochen worden."
Die "Universität des Dschihads"
Viele Jahre war Ul-Haq der Leiter einer Religionsschule. Westliche Medien gaben ihr den Beinamen: "Universität des Dschihads". Denn die Schüler wurden später hochrangige Führer der afghanischen Taliban.
Zeit seines Lebens hat der 81-Jährige den Kampf der afghanischen Islamisten unterstützt. In Interviews mit westlichen Medien sagte er, auch, wenn die Wege von Taliban und Al Kaida nicht unbedingt sein Weg seien, hätten diese Gruppen doch das Recht dazu, gegen die amerikanische Unterdrückung zu kämpfen.
Großer Einfluss auf Islamisten
Sein Ruf als "Vater" der afghanischen Taliban ging vor allem auch darauf zurück, dass er einen großen Einfluss auf die Islamisten hatte.
Der Chef der größten Dschihadisten-Organisation in Pakistan, Jamaat-ud-Dawa, zollt dem Leben von Ul-Haq eine Menge Respekt: "Alle Menschen in Pakistan sind seine Gefolgsleute. Und auch die Menschen aus Afghanistan. Ich glaube, dass das Herz von unserem Meister in allen Muslimen auf der ganzen Welt weiter schlagen wird."
Obwohl in seiner Schule militante Fundamentalisten ausgebildet wurden, hat auch der pakistanische Staat seine Einrichtung mitfinanziert. Der Islamist war auch politisch aktiv. Er war der Vorsitzende einer Partei und zwölf Jahre lang Mitglied im Oberhaus des pakistanischen Parlaments.
Ul-Haq befürwortete Polio-Impfungen
Ul-Haq hatte sich auch dafür eingesetzt, dass Kinder in Pakistan gegen Polio geimpft werden können, was viele Islamisten ablehnen. Er sei ein wichtiger Vermittler gewesen, sagt der pakistanische Journalist Chaudry Javed. Vor allem weil er so gute Kontakte zu den afghanischen Taliban hatte. Erst vor Kurzem sei er noch nach Kabul gereist und habe dort an Gesprächen mit den Taliban teilgenommen. "Sowohl für Pakistan aber auch für die USA ist sein Tod ein herber Rückschlag für den Friedensprozess in dieser Region."
Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft
Am Samstag erwiesen Tausende Anhänger Ul-Haq die letzte Ehre. Die pakistanische Regierung hat die Sicherheitskräfte wieder in Alarmbereitschaft versetzt. Gerade erst hatte sie sich mit Demonstranten geeinigt, die Tage lang die Straßen im Land blockiert hatten. Die hatten protestiert, weil eine Christin vom Obersten Gericht frei gesprochen worden war. Zuvor war sie wegen Vorwürfen der Gotteslästerung zum Tode verurteilt worden. Der Mord an Ul-Haq könnte wieder zu gewaltsamen Protesten führen.
Sami ul-Haq ermordet
S. Diettrich, ARD Neu-Delhi
03.11.2018 12:08 Uhr