Zeitlicher Ablauf der Verhandlungen veröffentlicht EU will mit Transparenz ACTA-Gegner besänftigen

Stand: 13.02.2012 21:45 Uhr

Die EU hat den Vorwurf zurückgewiesen, es habe bei der Erarbeitung von ACTA Geheimniskrämerei gegeben. Um Kritiker zu besänftigen, veröffentlichte sie den zeitlichen Ablauf des Verfahrens im Internet. In Deutschland gewinnt derweil die ACTA-Debatte an Schärfe. Im Zentrum steht die Bundesjustizministerin.

Die EU-Kommission hat Kritik zurückgewiesen, das internationale Urheberrechtsabkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) sei hinter verschlossenen Türen ausgehandelt worden. Die Behörde veröffentlichte inzwischen im Internet eine Übersicht über den zeitlichen Ablauf der Verhandlungen und die Teilnehmer.

Die Kommission wolle "Bedenken hinsichtlich der Transparenz der ACTA-Verhandlungen verringern", erklärte ein Sprecher des zuständigen EU-Handelskommissars Karel de Gucht. Deswegen seien ein "kompletter Zeitplan und Einzelheiten über unsere Kontakte mit dem Europäischen Parlament, den Medien, der Zivilgesellschaft und der Bevölkerung" veröffentlicht worden. "Alle 27 EU-Mitgliedsstaaten konnten an allen Verhandlungssitzungen zu ACTA teilnehmen", sagte der Sprecher weiter. Dies sei schon deshalb nötig gewesen, weil die Mitgliedsstaaten bei strafrechtlichen Aspekten des Abkommens mitreden dürfen.

Alle Mitgliedsstaaten wurden einbezogen

Insbesondere wird dort die Einbeziehung des Parlaments dokumentiert. Das EU-Parlament habe während der Verhandlungen von Juni 2008 bis November 2010 sieben Entwürfe des Abkommens, sowie drei detaillierte Berichte über den Stand der Absprachen und 14 Notizen oder interne Arbeitspapiere erhalten. Einige der Dokumente seien allerdings vertraulich gewesen und somit nicht allen EU-Abgeordneten zugänglich gemacht worden, heißt es weiter. Auch habe sich Handelskommissar de Gucht mehrmals dem Plenum oder einzelnen Ausschüssen gestellt.

ACTA soll den Schutz geistigen Eigentums verbessern, Kritiker befürchten jedoch eine Zensur des Internets. Die EU-Kommission hatte den Vertrag mit Ländern wie den USA und Japan ausgehandelt. Wegen Bedenken des Bundesjustizministeriums hatte die Bundesregierung am Freitag überraschend mitgeteilt, dass sie das Abkommen vorerst nicht unterzeichne.

Kritik aus der CDU...

In Deutschland gewinnt die Debatte über diese Aussetzung der deutschen Unterschrift inzwischen an Schärfe. Während viele Unionspolitiker ihr Unverständnis über Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zum Ausdruck brachten, verteidigte die FDP die Entscheidung.

So kritisierte die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Andrea Voßhoff, im "Handelsblatt": "Das Vorgehen der Bundesjustizministerin hat mich verwundert, da sie das Abkommen bisher stets verteidigt und keinen Änderungsbedarf gesehen hat." Und auch der Vorsitzende der Internet-Enquete-Kommission des Bundestags, Axel E. Fischer (CDU), griff die Justizministerin an. "Frau Leutheusser-Schnarrenberger muss aufpassen, dass sie nicht als permanente Verhinderin von notwendigen Regelungen wahrgenommen wird", sagte er der "Augsburger Allgemeinen".

... FDP-Politiker wollen auf EU warten

Dagegen sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle: "Es ist gut, dass die Bundesregierung die Zeichnung von ACTA geschoben hat, bis sich das Europäische Parlament mit ACTA befasst hat." Ein starkes Urheberrecht setze nicht auf immer mehr Regeln, sondern auf innovative und marktfähige Lösungen.

Ähnlich hatte sich zuvor Leutheusser-Schnarrenberger geäußert. Sie verlangte von der EU-Kommission Auskunft über mögliche rechtliche Auswirkungen des Vertragswerks. "Alle wesentlichen Kritikpunkte, die sich auf Urheberrechtsschutz und Internet konzentrieren, müssen vom Europäischen Parlament und der Kommission beantwortet werden."

Am Wochenende hatten europaweit zehntausende Menschen gegen das Vertragswerk demonstriert. Zu den 37 Staaten, die das Abkommen vereinbart haben, zählen unter anderem die 27 EU-Mitglieder, die Schweiz, die USA und Japan. In Polen, Tschechien und Lettland wurde die Ratifizierung des Vertrags nach heftigen Protesten ausgesetzt.