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Training für Grönland-Expedition

Mann zieht Autoreifen

Seit Monaten bereitet Marco Plass sich auf eine waghalsige Expedition vor, indem er zwei Autoreifen durch seinen Heimatort im Westerwald zieht. Der Abenteurer will demnächst in Grönland 600 Kilometer auf Ski zurücklegen und dabei einen Schlitten ziehen.

Am Anfang hielten sie ihn im Ort für irre. Was tut dieser drahtige Mann in Sportklamotten, der mit Skistöcken in der Hand schnaufend zwei riesige Autoreifen durch Greifenstein (Lahn-Dill) zieht? Und das immer die gleiche Strecke, mehrmals die Woche.

Sorgten die ungewöhnlichen Trainingseinheiten von Marco Plass anfangs noch für Kopfschütteln in seinem Heimatort, ist man hier inzwischen daran gewöhnt. Und man weiß auch, warum er das tut: Der 44 Jahre alte Familienvater will einmal Grönland durchqueren, mit Ski und Schlitten.

Manchmal wird Plass jetzt sogar von Radfahrern begleitet und angefeuert. "Zieh durch!", rufen sie dann hinter ihm her.

Einmal die größte Insel der Welt durchqueren

Plass ist eigentlich Führungskräftetrainer und Leiter einer sogenannten Wildnisschule im urigen Westerwald. Gemeinsam mit seiner Frau organisiert er Survival-Trainings, Trekkingtouren und Eltern-Kind-Camps.

Dieses Mal geht es aber um ihn und seine ganz eigenen Grenzerfahrungen: An die 600 Kilometer dauert die Ski-Tour übers grönländische Inlandeis, einmal von West nach Ost. Plass meint: Im Idealfall wird er dafür 26 bis 28 Tage brauchen. Am Sonntag soll die Reise losgehen.

Plass muss 60-Kilo-Schlitten ziehen

Die Tour sei "unsupported", erklärt er. Das bedeutet: Es gibt kein Begleit-Team. Alles, was Plass unterwegs braucht, muss er also auf einem Schlitten selbst hinter sich herschleppen: Zelt, Verpflegung, Ausrüstung. An die 60 Kilogramm.

Ausrüstungsgegenstände

Daher kam Plass auch auf das Reifen-Training, für das er extra zwei besonders große SUV-Reifen genommen hat. "Die sind zwar immer noch nicht ganz so schwer wie der Schlitten, aber wenn ich über Asphalt laufe, simulieren die den Schlitten perfekt."

Die weiße Einsamkeit

Plass hat bereits einige Erfahrung mit der "weißen Einsamkeit", wie er das beschreibt, was ihn erwartet. In den vergangenen Jahren war er bereits wochenlang in Patagonien und in Skandinavien unterwegs - allerdings noch nie so viele Tage und auch noch nie eine solch lange Strecke am Stück.

Meistens organisiere er seine Reisen außerdem selbst und ist allein unterwegs. "Weil man aber in Grönland nicht alleine übers Eis gehen darf, habe ich mich dieses Mal einer geführten Gruppe aus erfahrenen Expeditionsteilnehmern angeschlossen, die von einer Bergschule organisiert wird." Mit aller Ausrüstung wird er dafür rund 20.000 Euro ausgeben, schätzt er.

Piteraqs: Gefährliche Fallwinde

Plass weiß: Es werden harte Tage. Neun bis zehn Stunden auf Ski, ein Mal die Stunde zehn Minuten Pause. Dabei sei es wichtig, nicht ins Schwitzen zu kommen, erklärt er. "Das ist der Killer bei der Kälte."

Angst habe er keine, aber durchaus einen "gesunden Respekt", meint Plass: Die eisigen Temperaturen betragen durchschnittlich minus 20 Grad, es kann gefährliche Gletscherspalten geben, sogar Zusammentreffen mit Eisbären sind möglich.

Ein Eisbär am Wasser

Am gefährlichsten schätzt Plass aber die sogenannten Piteraqs ein. So nennen die Einwohner Grönlands plötzlich eintretende eiskalte Stürme, die bis zu 250 Stundenkilometer erreichen können. "Wenn dich so einer erwischt, bist du weg vom Fenster, dann kannst du auch kein Zelt mehr aufbauen." Die Expeditionsteilnehmer stünden deshalb täglich im Austausch mit dem Wetterdienst.

"Mit dieser Monotonie muss der Hirn erst mal klarkommen"

Die Tour werde aber nicht nur eine körperliche Herausforderung, sondern auch eine mentale. "Bis auf den Gletscher hat man keine Referenzpunkte - alles ist weiß", erklärt er. "Mit dieser Monotonie muss das Gehirn erst mal klarkommen."

Auch mit sich selbst und dem Alleinsein, werde man konfrontiert, meint Plass. Beim Laufen könne man nicht miteinander reden. "Irgendwann fragt dich dann die innere Stimme: Was machst du hier überhaupt?"

Warum das Ganze?

Gute Frage: Ja, warum denn eigentlich? "So ein richtigen sinnvollen Grund gibt es nicht - außer, dass ich es will", meint Plass. "Und dass ich an der Herausforderung wachsen will."

Er glaubt: Wer so etwas geschafft hat, geht unweigerlich gestärkt da raus. Und auch beruflich sei es durchaus interessant für ihn, wie Selbstmanagement und Gruppendynamiken in solchen Extremsituationen ablaufen.

Mann zieht Autoreifen

Mit seiner Expedition will er außerdem Spenden sammeln. Die sollen an die Grundschule im Ortsteil Beilstein gehen, die auch seine Kinder besuchen. In dem Zusammenhang will er nach der Reise einen Vortrag halten.

Fühlt sich gut vorbereitet

Plass meint: Er fühle sich insgesamt gut vorbereitet. Seit September habe er drei Mal die Woche Autoreifen gezogen. Um die Monotonie zu trainieren, habe er dafür immer die gleiche Strecke durch Greifenstein genommen. Auch mental fühle er sich gut aufgestellt.

Seine Frau wird ihn am Sonntag mit den Kindern zur Bahn bringen. Nadine Plass meint: Ein etwas mulmiges Gefühl werde sie dann wohl haben. Aber die Familie sei das mittlerweile gewohnt. "Ich hab ihn so geheiratet und wusste vorher, dass er das braucht." Ohne das wäre er unglücklich, meint sie. Und die Kinder? Die würden sich höchstens wegen der Eisbären Gedanken machen.

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