Happy Birthday Deutschland-Ticket

Aktuelle Stunde 01.05.2024 22:07 Min. UT Verfügbar bis 01.05.2026 WDR Von Ann-Kathrin Stracke

Ein Jahr Deutschlandticket: Hat es wirklich eine Zukunft?

Stand: 01.05.2024, 13:48 Uhr

Verkehrsverbünde und -betriebe in NRW ziehen eine durchwachsene Bilanz. Die Abozahlen sind zwar gestiegen, der Anteil echter Neukunden ist aber überschaubar. Und eine dauerhafte Finanzierung ist weiter offen.

Von Peter HildPeter Hild

Zumindest die Bilanz vieler Verkehrspolitiker zum ersten Jahrestag des Deutschlandtickets fällt ziemlich einhellig positiv aus. "Schon heute ist das Deutschlandticket das erfolgreichste in der ÖPNV-Geschichte", ist etwa NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) voll des Lobes und spricht von einem "Erfolgsmodell".

Auch viele Verkehrsbetriebe und -verbünde quer durch NRW berichten, dass das neue Ticket gut von den Menschen angenommen worden sei. Rund 11,2 Millionen Menschen nutzten das Deutschlandticket bundesweit durchschnittlich pro Monat, meldet der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Zu wenig echte Neukunden?

Auch wenn die Abozahlen bei vielen Verkehrsbetrieben seit vergangenem Mai spürbar gestiegen sind, etwa bei der Düsseldorfer Rheinbahn, der Ruhrbahn in Essen oder den Stadtwerken Bielefeld - der Anteil echter Neukunden, die vorher noch kein ÖPNV-Abo hatten, liegt bisher meist unter zehn Prozent.

Ein Mann steht vor einer eingefahrenen S-Bahn am Bahnsteig.

Mehr Menschen nutzen Bahn statt Auto

NRW-Verkehrsminister Krischer versucht mit konkreten Zahlen den positiven Eindruck zu untermauern: Rund 200.000 Menschen in NRW seien im ersten Jahr durch das Ticket vom Auto auf Bus und Bahn umgestiegen, heißt es aus dem Ministerium. Sieben Prozent der Fahrten mit dem Deutschlandticket ersetzten Fahrten mit dem Auto oder Motorrad. Damit seien bundesweit im ersten Jahr 1,3 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden.

Verbraucherzentralen sehen Optimierungsbedarf

Für Kunden des Deutschlandtickets gibt es aus Sicht der Verbraucherzentralen mitunter aber noch immer Probleme bei Buchungen oder Kündigungen. Probleme bereiteten vielfach die digitalen Buchungssysteme, teilte die Verbraucherzentrale NRW mit.

Neukunden würden teilweise versehentlich mehrere Tickets abonnieren oder Tickets nicht immer bereitgestellt. Ebenso würden Kündigungen nicht immer zeitnah bearbeitet. Hunderte Fahrgäste allein aus NRW hätten bereits im vergangenen Jahr deshalb Anträge bei der Schlichtungsstelle Nahverkehr gestellt, die tätig wird, wenn Kunden im Streit mit einem Verkehrsunternehmen liegen.

Immer noch Flickenteppich bei Angebot und Infrastruktur

Der VDV bemängelt, dass es trotz des einheitlichen Deutschlandtickets immer noch zu große Unterschiede gebe. "Einfachere Strukturen, zum Beispiel durch die Zusammenlegung von Verkehrsverbünden, sind uns bislang nicht bekannt", sagt VDV-Vizepräsident Knut Ringat.

Ein Mann geht am Hauptbahnhof mit seinem Fahrrad zwischen der Werbung für das Deutschlandticket und einer Regionalbahn vorbei

Verkehrsbetriebe fordern ausreichende Zuschüsse

Zudem gebe es nach wie vor große regionale Unterschiede mit Blick auf die Angebotsleistungen, kritisiert er. In manchen Regionen sei etwa die Fahrradmitnahme in Bussen und Bahnen generell kostenlos, in anderen brauche man dafür Zusatztickets.

Verkehrsbetriebe sorgen sich um Finanzierung

Die regionalen Verkehrsbetriebe sorgen sich beim Deutschlandticket vor allem um eine langfristige Finanzierung durch Bund und Länder, die bislang nur bis Ende des Jahres gesichert ist. Denn finanziell können die Unternehmen vom Kundenzuwachs kaum profitieren, einige wie die Stadtwerke Krefeld oder der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr sprechen eher von Verlusten.

Seit Jahren klagen viele Verkehrsunternehmen über unzureichende finanzielle Mittel. Die Finanzlage wird durch das günstige Deutschlandticket eher noch verschärft. Die Folge: Viele Anbieter haben ihr Streckenangebot gekürzt. Dabei ist das Gegenteil nötig, ein Ausbau der Leistungen gerade auch im ländlichen Raum, um Kunden dauerhaft für den ÖPNV gewinnen zu können.

Langfristig ausreichende Zuschüsse stehen deshalb auf der Wunschliste der Betriebe ganz oben, doch die sind bislang im Streit zwischen Bund und Ländern noch nicht in Sicht. Und an ihnen dürfte die weitere Zukunft des Deutschlandtickets hängen, trotz vieler positiver Aspekte wie der bislang zufriedenstellenden Nachfrage.

Über dieses Thema berichten wir am 1.5.2024 auch in unseren Nachrichten und im Fernsehen.

Quellen:

  • NRW-Verkehrsministerium
  • Verkehrsbetriebe in NRW (Rheinbahn Düsseldorf, Ruhrbahn Essen, Stadtwerke Bielefeld, Stadtwerke Krefeld)
  • Verkehrsverbund Rhein-Ruhr
  • Verband Deutscher Verkehrsunternehmen
  • Verbraucherzentrale NRW

Deutschlandticket Bilanz

WDR Studios NRW 01.05.2024 00:47 Min. Verfügbar bis 01.05.2026 WDR Online