Fragen und Antworten zur Zypern-Hilfe Die Zwangsabgabe und die möglichen Folgen

Stand: 19.03.2013 22:05 Uhr

Vor allem ein Punkt im Hilfspaket für Zypern sorgt für Aufregung: Die geplante Zwangsabgabe, die alle Sparer zahlen sollen. Ist sie tatsächlich ein Tabubruch? Welche Folgen könnte sie haben? Diese Fragen kann man zwar nicht eindeutig beantworten, aber man kann sie einschätzen. tagesschau.de gibt einen Überblick.

Warum ist Zypern ein Sonderfall?

Der kleine Inselstaat hat - anders als andere südeuropäische Krisenstaaten wie Italien oder Griechenland - vor allem ein massives Problem mit seinen Banken. Der Bankensektor ist völlig überdimensioniert. Die Bilanzsumme der zyprischen Geldinstitute ist acht Mal so groß wie die gesamte Wirtschaftsleistung. Der Bankensektor wird nun gezwungen, auf ein Normalmaß zu schrumpfen. Bis 2018 soll er im Verhältnis zur Wirtschaftskraft des Landes das Durchschnittsniveau der EU erreichen - das liegt ungefähr bei einem Faktor von 3,5.

Die Geldhäuser des Inselstaates waren vor allem wegen ihrer großen Investments im Krisenland Griechenland in Schieflage geraten. Dort gab es im vergangenen Jahr einen Schuldenschnitt, der die zyprischen Banken Milliarden Euro kostete. Der zyprische Staat ist mit der Rettung der überdimensionierten Banken überfordert und benötigt daher das Hilfspaket. Kritiker werfen der zyprischen Regierung allerdings vor, mit laxen Geldwäschekontrollen enorme Summen aus Russland angezogen zu haben - darunter auch Schwarzgeld.

Warum die umstrittene Zwangsabgabe für Sparer?

Vor allem mit dem Geld der Sparer soll es der Euro-Zone gelingen, die Hilfskredite auf zehn Milliarden Euro zu begrenzen. Die Regierung hatte ursprünglich 17,5 Milliarden Euro beantragt, was den Schuldenberg des Landes aber untragbar vergrößert hätte. Anders als in Griechenland soll es in Zypern keinen Schuldenschnitt bei den Anteilseignern der Banken geben - der hätte keinen Sinn, weil die Geldinstitute dort kaum Schuldverschreibungen begeben haben.

Damit blieb nur der Zugriff auf die Guthaben. Für die außergewöhnliche Situation des Landes mit überdimensioniertem Bankensektor sei diese maßgeschneiderte Lösung notwendig gewesen, sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem.

Warum ist diese Zwangsabgabe ein Tabubruch?

Bisher war es kaum vorstellbar, dass auch Kleinsparer zur Rettung eines Euro-Landes direkt zur Kasse gebeten werden. Genau das hatte die Eurogruppe in Zypern aber geplant: Sparer aus dem In- und Ausland mit Einlagen bei zyprischen Banken zwischen 20.000 und 100.000 Euro hätten eine Zwangsabgabe von einmalig 6,75 Prozent zahlen sollen, Kunden unter 20.000 Euro wären von der Zwangsabgabe befreit worden. Kunden mit mehr als 100.000 Euro hätten 9,9 Prozent abgeben müssen. Diese Regelung hat das zyprische Parlament nun abgelehnt.

Gehen die zyprischen Banken pleite, könnten die Verluste für deren Kunden allerdings noch größer sein. Zwar gibt es auch auf Zypern ein Einlagensicherungssystem, das einspringt, wenn eine Bank ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Das dürfte aber wenig wert sein, wenn nicht nur eine einzelne Bank sondern das gesamt System in Schieflage gerät.

Welche Folgen hätte die Zwangsabgabe für Zypern?

Wie bei vielen Beschlüssen, die in den vergangenen Jahren zur Euro-Rettung getroffen wurden, gilt auch hier: Die Folgen kann niemand wirklich seriös voraussagen.

Bereits abzusehen ist aber, dass viele Zyprer nun ihr Erspartes in Sicherheit bringen wollen. Ein solcher "Bank-Run" gilt als Super-GAU für die betroffenen Geldhäuser. Am Wochenende versuchten die Zyprer bereits massenhaft, Geld abzuheben - allerdings ohne Erfolg. Denn auf der Insel blieben selbst solche Banken geschlossen, die samstags normalerweise geöffnet haben. Auch am Montag blieben die Banken wegen eines Feiertags ohnehin zu. Überweisungen und Online-Banking waren nicht möglich.

Nun sollen die Banken bis einschließlich Donnerstag geschlossen bleiben. Wie es danach weitergeht, ist offen.

Was ist mit den Sparern in anderen Euro-Staaten?

Auch über Zypern hinaus könnte eine Zwangsabgabe gravierende Folgen haben. Sie könnte "die Einleger in allen Krisenländern verschrecken und zum Räumen ihrer Konten veranlassen", warnt der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn. Das würde nach seiner Einschätzung eine Bankenkrise auslösen. Jean-Claude Juncker, Luxemburgs Regierungschef und bis Januar Eurogruppenchef, warnte: "Ich habe die große Besorgnis, dass es zu Vertrauenseinbrüchen, nicht nur der Banken, sondern auch der Bürger, kommt."

Mit rationalen Entscheidungen hätte das eher wenig zu tun. Zypern sei innerhalb der EU ein "extrem besonderer Fall", so die Einschätzung von ARD-Brüssel-Korrespondent Rolf-Dieter Krause. Jeder habe gewusst, dass der Bankensektor dort völlig aufgebläht ist. "Ich sehe keinen Grund, warum jemand in einem anderen EU-Land nun plötzlich Angst um sein Erspartes haben sollte", so Krause.

Entscheidend ist hier eher der psychologische Faktor der "Verunsicherung". Um zu verstehen, wie wichtig dieser Faktor ist, muss man sich nur das Jahr 2008 in Erinnerung rufen. Damals war die Bankenkrise auf ihrem Höhepunkt. Um die Deutschen davon abzuhalten, massenhaft Geld abzuheben, verkündeten Kanzlerin Angela Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück eine Komplettgarantie des Staates für private Spareinlagen - über alle gesetzlichen Garantien hinaus. Tatsächlich blieb ein befürchteter "Bank-Run" danach aus.

Angesichts der geplanten Zwangsabgabe in Zypern bekräftigte die Bundesregierung die Komplettgarantie nun erneut. "Es ist das Merkmal einer Garantie, dass sie gilt", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Anzeichen für einen "Bank-Run" in anderen Euro-Krisenstaaten gibt es bislang nicht. Weder in Spanien oder Portugal noch in Italien oder Griechenland gab es ungewöhnlichen Andrang in den Banken. An den Börsen machte sich das Zypern-Hilfspaket allerdings deutlich bemerkbar: Weltweit gingen die Kurse nach unten.

Trifft die Zwangsabgabe auch "russische Oligarchen"?

Rund ein Drittel der Einlagen bei Banken in Zypern sind in der Hand ausländischer Kontoinhaber - vor allem reicher Russen und Briten. Allein russische Firmen haben in Zypern geschätzt rund 19 Milliarden Dollar (rund 14,7 Milliarden Euro) angelegt. Über Jahre hinweg galt der Inselstaat für Russen wegen niedriger Steuern und vergleichsweise laxer Bankengesetze als ausgesprochen investorenfreundlich.

Inwieweit auch die viel zitierten "russischen Oligarchen" von der Zwangsabgabe betroffen sind, lässt sich schwer einschätzen. Nachdem schon lange klar war, dass auch Anleger an den Kosten eines Hilfspakets beteiligt werden sollen, ist zu erwarten, dass manche von ihnen ihr Geld bereits in Sicherheit gebracht haben.

Zusammengestellt von Holger Schwesinger, tagesschau.de

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 18. März um 12 uhr