Wohnungsneubau in Hamburg
Hintergrund

Zwei Jahre Wohngipfel Gibt es mehr bezahlbare Wohnungen?

Stand: 17.09.2020 16:00 Uhr

Heute vor zwei Jahren tagte im Kanzleramt der Wohngipfel. Erklärtes Ziel der Teilnehmenden: mehr bezahlbarer Wohnraum in Deutschland. tagesschau.de beleuchtet, was aus den zentralen Beschlüssen wurde.

Von Steffi Clodius, tagesschau.de

Als sich heute vor zwei Jahren im Kanzleramt Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen und Spitzenverbänden zum Wohngipfel trafen, war die Zielsetzung klar: Deutschland braucht mehr bezahlbaren Wohnraum. Um dies zu erreichen, erarbeitete die Wohngipfel-Runde ein Konzept, das auf drei Pfeilern fußte. Erster Pfeiler: Es sollten Impulse für den Wohnungsbau gesetzt werden. Zweiter Pfeiler: Die Miet- und Immobilienpreise sollten nicht mehr über Gebühr steigen. Dritter Pfeiler: Eine Senkung der Baukosten und die Sicherung der Fachkräfte im Baubereich wurden angestrebt.

Welche der damals beschlossenen Einzelmaßnahmen zeigen Wirkung? Ein Überblick über die wichtigsten Instrumente und deren Nutzung in den vergangenen 24 Monaten.

Maßnahmen für mehr Wohnungsbau

Ein zentraler Punkt: die Schaffung von mehr Sozialwohnungen. Hier sorgte der Bund zunächst durch eine Grundgesetzänderung dafür, dass er direkt in den Sozialen Wohnungsbau investieren darf. In den Jahren 2018 und 2019 steckte er jeweils eineinhalb Milliarden und 2020 eine Milliarde Euro hinein. Ungeachtet dessen ist die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland im vergangenen Jahr aber wieder gesunken: Mit einem Gesamtbestand von 1,14 Millionen gab es etwa 39.000 weniger als 2018. Das hat damit zu tun, dass Sozialwohnungen nach Ablauf einer gewissen Zeit aus der Bindung herausfallen und Vermieter dann reguläre anstatt der bis dahin verminderten Mieten verlangen können. Fallen mehr Sozialwohnungen aus der Bindung heraus als neue gebaut werden, sinkt die absolute Zahl der vorhandenen Wohnungen. Kritiker fordern deshalb, die Dauer der Bindung gesetzlich zu verlängern.

Ein weiteres Instrumentarium zur Unterstützung des privaten Immobilienerwerbs ist das Baukindergeld. Es soll Familien und Alleinerziehenden mit mindestens einem Kind dabei helfen, eine Immobilie zu bauen oder zu kaufen. Nur Haushalte mit einem zu versteuernden Einkommen von bis zu 75.000 Euro - plus 15.000 Euro für jedes Kind - sind antragsberechtigt. Gefördert werden Neubauten mit Baugenehmigungen zwischen Anfang 2018 und Ende 2020. Bis Ende Mai des laufenden Jahres wurden knapp 233.000 Anträge genehmigt. Damit sind finanzielle Zusagen von 4,86 Milliarden Euro verbunden. Insgesamt stehen maximal 9,9 Milliarden Euro zur Verfügung. Welche Wirkung das Baukindergeld auf den Wohnungsbau und die Eigentumsquote hatte, wird noch evaluiert. Die Bundesregierung will die Ergebnisse im Sommer 2021 veröffentlichen. Auf dieser Basis soll dann in der kommenden Legislaturperiode über eine mögliche Verlängerung entschieden werden.

Um Investoren dazu zu bringen, als private Bauträger zur Schaffung von Mietwohnungen beizutragen, gibt es seit gut einem Jahr steuerliche Anreize. Es kann eine Sonderabschreibung in Höhe von fünf Prozent pro Jahr in Anspruch genommen werden, und das über vier Jahre - zusätzlich zur linearen Absetzung von zwei Prozent pro Jahr. Allerdings hat "Finanztest" errechnet, dass sich die finanziellen Vorteile in überschaubaren Grenzen halten: Über einen Anlagezeitraum von 20 Jahren liege der Renditevorteil gerade einmal zwischen 0,4 und 0,7 Prozent pro Jahr. Nach wie vor spielten Faktoren wie Lage, erzielbare Miete und ein angemessener Grundstückspreis eine deutlich größere Rolle.

Maßnahmen zur Begrenzung der Preise und Mieten

Wichtigste Stellschraube, um die Kosten für Wohnraum halbwegs im Rahmen zu halten, ist die Mietpreisbremse. Hier besserte die Große Koalition nach und verschärfte das betreffende Gesetz: Unter anderem wird zur Festlegung einer ortsüblichen Vergleichsmiete die Preisentwicklung in den sechs vorangegangenen Jahren zur Grundlage gemacht - anstatt wie zuvor nur die letzten vier Jahre. Außerdem dürfen Modernisierungskosten nur noch im Rahmen einer Mieterhöhung von maximal acht Prozent auf den Mieter umgelegt werden - und nicht mehr in Höhe von elf Prozent. Ungeachtet der Verbesserungen gibt es aber weiter Kritik an der Mietpreisbremse. Experten beklagen, dass es nach wie vor zu viele Schlupflöcher für Vermieter gibt, um die Deckelung zu umschiffen. Außerdem sei die Hürde für Mieter, bestehende Rechte in Anspruch zu nehmen, angesichts des nach wie vor angespannten Wohnungsmarktes hoch.

Um sozial schwachen Mietern unter die Arme zu greifen, hat die Bundesregierung zudem die Wohngeld-Regelung reformiert. Seit Anfang des Jahres haben mehr Menschen Anspruch auf mehr Geld. Von 2022 wird die Höhe des Wohngeldes zudem alle zwei Jahre an die aktuellen Miet- und Einkommensentwicklungen angepasst. Und bereits vom kommenden Jahr an soll es eine Entlastung bei den Heizkosten geben: Hintergrund ist die Bepreisung des CO2-Ausstoßes von Heizungen, für die nicht die Wohngeld empfangenden Mieter, sondern die Vermieter aufkommen müssen. Diese Maßnahme wird von Sozialverbänden insgesamt begrüßt; allerdings spricht sich der Paritätische für eine häufigere Überprüfung der Wirksamkeit aus.

Von Dezember an sollen Immobilienkäufer dadurch entlastet werden, dass sie Maklerkosten nicht mehr allein übernehmen müssen, sondern sich die Courtage mit dem Verkäufer teilen. Einer entsprechenden Gesetzesänderung stimmte der Bundesrat kürzlich zu. Auf diese Weise sollen die Nebenkosten bei Immobiliengeschäften sinken. Interessenverbände und die Grünen kritisieren die Neuerung und plädieren für die bisherige Regelung des sogenannten "Besteller-Prinzips", wonach diejenige Partei die gesamte Maklercourtage zu zahlen hat, die den Makler beauftragt hat. Zur Begründung heißt es, nur so werde der Erwerb von Wohneigentum erleichtert, weil meist der Verkäufer einen Makler engagiere.

Maßnahmen zur Baukostensenkung und Fachkräftesicherung

Beim Wohngipfel vor zwei Jahren kamen die Teilnehmer überein, dass bezahlbares Bauen maßgeblich erleichtert werde, wenn die geltenden Landesbauordnungen leicht handhabbar und verständlich seien. Hier sieht der Bund die einzelnen Bundesländer in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Regelungen von Land zu Land so einheitlich wie möglich ausgestaltet werden. Um dies zu erreichen, überarbeitete die Bauministerkonferenz von Bund und Ländern vor gut einem Jahr die Musterbauordnung, die als Grundlage für die Landesbauordnungen dient. Eine wichtige Neuerung: die sogenannte Typengenehmigung. Sie soll das Bauen identischer Gebäude an mehreren Orten deutlich erleichtern und beschleunigen. Wohnungsbauexperten sehen aber immer noch Luft nach oben, was die Vereinfachung und Beschleunigung behördlicher Genehmigungsverfahren angeht.

Bauherren sollen ihre Bauanträge durchgängig digital stellen können. Dies, so die Hoffnung, bringe erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse - auch in den bearbeitenden Behörden. Kritiker bemängeln, dass digital gestellte Anträge aber immer noch analog bearbeitet werden müssen, weil es in den Ämtern an entsprechender Ausstattung mangelt. So gebe es vielerorts "hybride Systeme", die von einer ausschließlich digitalen Bearbeitung noch weit entfernt seien.

Um die Baubranche zu beleben, will die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass es genügend Fachkräfte gibt. Zentraler Punkt hierbei ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das am 1. März 2020 in Kraft getreten ist. Durch die Anerkennung ausländischer Ausbildungsabschlüsse können Migranten und Fachkräfte aus dem Ausland schneller auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen und die einzelnen Wirtschaftszweige stärken - so auch die Baubranche. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie nennt das Gesetz ein "wichtiges Signal", das die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland sichere. Allerdings pocht die Branche zusätzlich auf eine Verlängerung der sogenannten "Westbalkan-Regelung", die die Beschäftigung von Arbeitern vom Westbalkan vereinfacht, allerdings Ende des Jahres auslaufen soll.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 17. September 2020 um 19:41 Uhr in der Wirtschaft und um 22:30 Uhr in den Nachrichten.