Polens Ministerpräsident vor EU-Gipfel Tusk muss sich gegen Kürzungen wehren

Stand: 07.02.2013 14:14 Uhr

Klar ist: Polen wird sich in Brüssel gegen große Kürzungen beim EU-Finanzplan stemmen. Das Land ist schließlich der größte Nettoempfänger. Anders als so mancher Amtsvorgänger setzt Ministerpräsident Tusk aber auf stille Kompromisse statt Konfrontation. Einen Erfolg braucht er trotzdem.

Von Henryk Jarczyk, ARD-Hörfunkstudio Warschau

Haushaltskürzungen würden Polen besonders hart treffen, sagt Premier Donald Tusk. Deshalb werde er beim Brüsseler Gipfel alles daran setzen, die Staats- und Regierungschefs der Geberländer von der Notwendigkeit eines Kompromisses zu überzeugen.

"Es geht nicht ausschließlich um nationale Interessen", betont Tusk. Natürlich werde man um das zustehende Geld kämpfen - im Rahmen eines Mittelweges. Es wäre ein Pyrrhussieg, wenn Polen seine Position behielte und damit eine Einigung verhindere, so dass am Ende überhaupt kein Haushalt beschlossen werden könne, sagt er. "Deshalb werden wir bis zur letzten Minute eine intelligente - und das heißt eine auch für Polen vernünftige - Lösung anstreben."

Sollte es bei dem Gipfel nicht gelingen, die vorgeschlagenen Kürzungen auf ein Minimum zu beschränken, dann so Tusk, würden in Polen dringend notwendige Reformen auf der Strecke bleiben. Vor allem wenn das Land ab 2014 sowohl aus dem Kohäsions- als auch dem Agrarfonds weitaus weniger Mittel erhalten sollte, als ursprünglich veranschlagt: "Wir fahren nach Brüssel mit der Überzeugung, dass der Ausgangspunkt der Verhandlungen gut vorbereitet wurde", betont Tusk - und dass Polen die erträumten 75 Milliarden Euro im Rahmen der Kohäsionspolitik auch erhalten wird. Gleichzeitig wisse man, dass die Gespräche sehr schwierig würden.

Henryk Jarczyk, H. Jarczyk, ARD Warschau, 07.02.2013 11:57 Uhr

Ringen um die politische Zukunft

Das hört sich staatsmännisch an. Dabei geht es für Tusk in Brüssel nicht alleine ums Geld - vom Ausgang des EU-Gipfels hänge auch seine politische Zukunft ab, heißt es in Warschau. Das ist eine in Polen weitverbreitete Ansicht, vor allem unter Oppositionspolitikern, aber nicht nur. Polnische Medien kommentieren: Welche Bedeutung Tusk den Gesprächen beimesse, lasse erkennen, dass die Ergebnisse im Land auch als Evaluierung der Arbeit der gesamten Warschauer Regierung betrachtet würden.

Zumal der polnische Regierungschef im letzten Wahlkampf gerade das Thema EU-Haushalt besonders stark in den Vordergrund gestellt hatte - verbunden mit dem Hinweis, dass er es im Gegensatz zu seinem Rivalen Jaroslaw Kaczynski wesentlich besser verstehe, in Brüssel polnische Interessen durchzusetzen.

Davon ist selbst Oppositionspolitiker Leszek Miller überzeugt. Der Sozialdemokrat unterstützt Tusks Vorgehensweise: "Mit dem Schwert oder mit der Faust zu drohen, sind keine Gesten, die auf EU-Politiker Eindruck machen", sagt er. Die beste Grundlage für erfolgreiche Gespräche seien Kompromissbereitschaft und geschickte Verhandlungstaktik. Wenn Tusk diesen Weg verfolge, dann sei das sehr gut so. Verständnisvolle Worte aus dem Mund eines Oppositionspolitikers also.

Bei einem Scheitern wäre die Opposition gnadenlos

Und dennoch: Sollte Tusk in Brüssel auf der ganzen Linie scheitern, dann dürften ihn auch die Sozialdemokraten mächtig in die Mangel nehmen - von der größten Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit mit Kaczynski an der Spitze ganz zu schweigen. Manche Beobachter meinen, dass Tusks Tage als Regierungschef unter diesen Umständen wohl gezählt wären.

Ob es wirklich so schlimm kommt, ist fraglich - doch angesichts der Tatsache, dass der nun zur Verhandlung stehende EU- Finanzrahmen die Jahre 2014 bis 2020 umfassen soll, dürfte die gesamte Opposition einen negativen Ausgang für Polen spätestens im nächsten Wahlkampf erfolgreich gegen Tusk ausnutzen.

Mehrjähriger EU-Finanzrahmen

Mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) legt die EU Obergrenzen und Schwerpunkte ihrer Haushalte fest. Für einen Zeitraum von sieben Jahren werden unter anderem die maximalen Gesamtausgaben und die Verteilung auf wichtige Aufgabenbereiche vereinbart. Innerhalb dieser Vorgaben müssen sich später die jährlichen Etats bewegen.

Wie der MFR zustande kommt, ist im Vertrag von Lissabon festgelegt. Es handelt sich im Kern um eine Verordnung. Den Vorschlag dafür legt die EU-Kommission vor. Im nächsten Schritt verhandeln die Regierungen der EU-Staaten über einen Kompromiss, sie können die MFR-Verordnung nur einstimmig beschließen. Zuvor muss aber auch das Europaparlament zustimmen. Wegen des drohenden Vetos beeinflussen die Änderungswünsche der Parlamentarier die Beratungen der Regierungen der EU-Staaten. Kommt es nicht rechtzeitig zu einer Einigung, gelten die Obergrenzen des letzten Jahres aus dem vorangegangenen MFR zunächst weiter.