Interview

Interview mit Jürgen Trittin, Bündnis 90/Grüne "Mitwisser, nicht Mitbestimmung"

Stand: 25.02.2016 04:52 Uhr

Nach dem Besuch im TTIP-Lesesaal ist Jürgen Trittin skeptischer als zuvor. Vor allem der Themenbereich der regulatorischen Kontrolle bereitet ihm Sorge. Auf sein Handy konnte er gut verzichten. Die Geheimnistuerei rund um TTIP hält er für einen Fehler.

tagesschau.de: Warum haben Sie von dem Lesesaal Gebrauch gemacht? Was hat Sie in Zusammenhang mit TTIP besonders interessiert?

Jürgen Trittin: Wir fordern schon lange Einsicht in die Dokumente. Ich habe deshalb die Chance genutzt, Einblick zu nehmen. Aber das reicht natürlich nicht mal ansatzweise an die Transparenz heran, die wir für absolut erforderlich halten, damit der Bundestag einen Einfluss auf die Verhandlungen nehmen kann. Denn am Ende dürfen der Kongress, das Europäische Parlament und Bundestag und Bundesrat nur "Ja" oder "Nein" sagen.

Mich interessierten vor allem die Themen "öffentliche Auftragsvergabe", "regulatorische Kooperation" und "Investor-Staat-Streitbeilegung". Letzteres ist aber noch nicht verhandelt.

tagesschau.de: Unter Anderem mussten Mobiltelefone während des Aufenthalts im Lesesaal eingeschlossen werden – eine nachvollziehbare oder eine übertriebene Maßnahme?

Trittin: Gegen einen handyfreien Lesesaal spricht nichts, aber gegen Sprechverbote spricht alles. Ich darf meine Eindrücke nicht mit interessierten Bürgern teilen. Ich darf mich nicht mal mit meinen Mitarbeitern besprechen. So erzeugt das Lesen Mitwisser, aber nicht Mitbestimmung.

Skepsis ist gewachsen

tagesschau.de: Hat sich Ihre Einstellung zu TTIP nach der Lektüre im Lesesaal verändert?

Trittin: Nach der Einsicht in die Dokumente bin ich besonders im Hinblick auf die "regulatorische Kooperation" sehr viel skeptischer geworden. Mehr darf ich dazu leider nicht sagen.

tagesschau.de: Nachdem Sie im Lesesaal gewesen sind: Was möchten Sie über TTIP jetzt noch wissen?

Trittin: Einer unserer größten Kritikpunkte ist die in TTIP vorgesehene exklusive Klagemöglichkeit für Großkonzerne vor geheimen Schiedsgerichten. Bundesregierung und EU-Kommission konnten unsere Befürchtungen in dieser Frage bisher nicht entkräften.

tagesschau.de: Geheimakten im Lesesaal  - ist das ein Beispiel, das im parlamentarischen Raum Schule machen sollte?

Trittin: Die Geheimnistuerei rund um TTIP ist ein Fehler. So räumt man keine Befürchtungen aus. So schürt man sie. Wir beobachten in Europa wachsendes Misstrauen in demokratische Institutionen in Berlin wie in Brüssel. Man muss nicht alles auf dem offenen Markt austragen, aber dieses Maß an Intransparenz schadet der Demokratie.