Interview

Bahn-Experte bedauert Transrapid-Entscheidung In Deutschland keine Lobby - Zukunft in Fernost

Stand: 27.03.2008 15:16 Uhr

Warum wird der Transrapid nicht gebaut, obwohl die Technik immer wieder gelobt wird? Bahn-Experte Fengler sieht in der fehlenden Lobby eines der Hauptprobleme. Die Magnetbahn hat seiner Ansicht nach trotzdem eine Zukunft. Deutschland werde da aber keine Rolle mehr spielen, sagt Fengler im tagesschau.de-Interview.

Warum wird der Transrapid nicht gebaut, obwohl die Technik immer wieder gelobt wird? Bahn-Experte Fengler sieht in der fehlenden Lobby eines der Hauptprobleme. Die Magnetbahn hat seiner Ansicht nach trotzdem eine Zukunft. Deutschland werde da aber keine Rolle mehr spielen, sagt Fengler im tagesschau.de-Interview.

tagesschau.de: Bedauern sie das Aus für die Transrapid-Strecke in München?

Professor Wolfgang Fengler: Ja, sehr! Der Transrapid ist für mich eine der wenigen wirklich erfolgreichen Entwicklungen von Großtechnologie, die in den letzten 20 Jahren in Deutschland gelungen ist. Wenn der Transrapid in München nicht gebaut wird, wird sich Deutschland aus dieser meiner Ansicht nach sehr zukunftsträchtigen Technologie zurückziehen. Die Magnetbahn-Technologie wird deshalb nicht sterben, aber Deutschland kein "Player" mehr auf diesem Gebiet sein.

Zur Person

Wolfgang Fengler ist Professor für Gestaltung von Bahnanlagen an der TU Dresden. Er beschäftigt sich mit verschiedenen Arten von Bahnsystemen. Fengler gehört auch dem Programmkomitee der Dresdner Fachtagung Transrapid an.

tagesschau.de: Wenn Deutschland kein "Player" mehr ist, wird die Technik dann in China weiterentwickelt?

Fengler: Ich gehe davon aus - aber das ist natürlich eine Spekulation - dass die Magnetschwebetechnologie im südostasiatischen Raum weiterentwickelt wird und dort - neben Schanghai - noch stärker zum Einsatz kommen wird. Es geht nicht darum, die klassische Bahn zu verdrängen, sondern es geht darum, einer Technik zum Durchbruch zu verhelfen, die im bodengebundenen Höchstgeschwindigkeitsbereich die besser geeignete ist.

tagesschau.de: Und wenn sich das alles im Fernen Osten abspielt, werden deutsche Firmen dann noch eine Rolle spielen oder gehen auch die Patente dorthin?

Fengler: Die Frage müssen Sie der Industrie stellen. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass auch Patente verkauft werden.

Steuerzahler nur schwer zu begeistern

tagesschau.de: Die Technik gibt es schon seit Jahrzehnten - und sie wird von Ingenieursseite immer wieder hoch gelobt. Warum hat sie sich dann nicht durchgesetzt?

Fengler: Das Problem ist, dass es sich hier um eine Großtechnologie handelt. Die Investitionen, die man zunächst tätigen muss, sind sehr hoch, die Genehmigungs- und Bauphasen sind sehr lang. Der Nutzen, den die Technik bringt, stellt sich erst nach 15 Jahren Bauzeit ein. Man kann deshalb den Steuerzahler nur schwer dafür begeistern. Im Unterschied zum Transrapid haben wir bei der Eisenbahn ja eine gleitende Entwicklung gehabt, bei der sich ein Technologieschritt aus dem anderen ergibt. Ich möchte es mal so ausdrücken: Der Transrapid hat keine Lobby. Es geht ja darum, sehr knappe Euros sinnvoll einzusetzen. Und wenn die Steuerzahler bzw. Wähler dafür keinen politischen Druck machen, ist die Gefahr groß, dass eine eigentlich sinnvolle Technologie hinten runter fällt.

Fatale Fehlentscheidung bei Strecke Hamburg-Berlin

tagesschau.de: Hätte der Transrapid in einem Land wie Deutschland mit einem gut ausgebauten Bahnnetz denn verkehrspolitisch Sinn gemacht? In die bestehenden Netze hätte er sich ja nur schwer integrieren lassen.

Fengler: Aus heutiger Sicht ist Deutschland sicher nicht der ideale Einsatzraum für den Transrapid. Man muss hier aber langfristiger denken. Verkehrstechnologien lösen sich nicht durch Umlegen eines Schalters ab. Sie haben eine lange Entwicklungsphase und ergänzen sich über viele Jahre. Insofern wäre der Bau einer Transrapidstrecke auch in Mitteleuropa sinnvoll. Es wäre der Einstieg in eine Hochgeschwindigkeitstechnologie, die in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts wichtig werden wird.

Es gibt viele Länder, die kein gutes Bahnnetz haben. Sie müssen sich heute entscheiden, in welche Technologie sie investieren und sie haben die Freiheit, die beste Technologie zu wählen. Diese Länder werden aber natürlich nur in die Magnetbahntechnik investieren, wenn es in andern Ländern Referenzstrecken gibt. Wenn der Erfinder der Technologie kein Vertrauen in seine Erfindung hat, kann er auch kein anderes Land überzeugen, als Versuchskaninchen zu fungieren. Meiner Ansicht war es eine fatale Fehlentscheidung den Transrapid von Hamburg nach Berlin nicht zu bauen.

Drei gescheiterte Magnetbahn-Projekte in Deutschland

Im Jahr 2000 fiel die zwischen Hamburg und Berlin geplante, 292 Kilometer lange Strecke mangelnder Wirtschaftlichkeit zum Opfer. Nach einer Revision der Fahrgastprognosen sah die Bahn AG keine Chance mehr für einen rentablen Betrieb des Projekts.

2003 verkündete dann der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Steinbrück das Aus für die "Metrorapid"-Strecke. Sie hätte verschiedene Städte des Ruhrgebiets und Düsseldorf miteinander verbinden sollen.

Die jetzt gescheiterte Strecke in Bayern hätte den Münchner Flughafen mit dem 40 Kilometer entfernten Hauptbahnhof der Stadt verbinden sollen.

Die Kernanwendung ist der Fernverkehr

tagesschau.de: Die Strecke Hamburg-Berlin war von den drei Projekten, die in Deutschland diskutiert wurden, die einzige Fernverbindung, bei der der Transrapid den Vorteil der Geschwindigkeit hätte ausspielen können. Die beiden anderen Projekte in München und im Ruhrgebiet waren bessere S-Bahnen. Hat man in Deutschland auf die falschen Strecken gesetzt?

Fengler: Man hat auf die kürzeren Strecken gesetzt, weil man gehofft hatte, der Technik hier mit geringeren Kosten zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Flughafen-Shuttle ist zwar eine denkbare Einsatzmöglichkeit, die Kernanwendung ist aber natürlich der Fernverkehr. Laut Prognosen hätte aber auch die Strecke zum Münchner Flughafen in der Betriebsphase mit Gewinn arbeiten können.

tagesschau.de: Ihre Prognose für die Zukunft: Wird es in 50 Jahren eine Transrapidstrecke außer der in Schanghai geben?

Fengler: Es wird eine Magnetbahnstrecke geben. Ob das dann aber die in Deutschland entwickelte Transrapidtechnologie sein wird oder eine andere, das ist eine andere Frage. Der Hauptkonkurrent des Transrapid ist der Kurzstrecken-Flugverkehr. Wenn man, wie die Politik häufig behauptet, den Flugverkehr wegen der Umweltbelastung und seiner Abhängigkeit vom Erdöl einschränken will, dann ist der Transrapid eine Option, die das leisten kann – und zwar deutlich besser als die Bahn. Denn die hat mit den derzeitigen Geschwindigkeiten ihre Grenzen erreicht.

Das Interview führte Holger Schwesinger, tagesschau.de