Radikaler Sparkurs in Rumänien Streik gegen Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst

Stand: 31.05.2010 12:09 Uhr

Mit Krediten des IWF hält sich Rumänien über Wasser - zu knallharten Bedingungen. Die Regierung sieht sich zu radikalen Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst gezwungen. Deshalb traten viele Staatsbedienstete in den Streik.

Von Jörg Paas, ARD-Hörfunkstudio Südosteuropa

Maria Magureanu ist Pflegerin in einem Zentrum für Behinderte in Bukarest. Dort verdient sie 620 Lei, das sind rund 150 Euro. Ihr Mann ist Fahrkartenkontrolleur. Viel mehr bekommt er auch nicht für seine Arbeit. Und künftig werden beide wahrscheinlich sogar noch deutlich weniger im Geldbeutel haben. Denn ab Ende Juni sollen alle Gehälter im öffentlichen Dienst in Rumänien um 25 Prozent gekürzt werden – egal ob jemand bisher 600 oder 6000 Lei im Monat verdient hat.

Maria Magureanu findet das ungerecht: "Einsparungen genau bei denen vorzunehmen, die sowieso nichts haben, das geht zu weit. Wir wissen doch alle nur zu gut, dass es beim Staat auch sehr hohe Gehälter gibt. Darum müssten die Sparmaßnahmen vernünftig angepasst werden. Uns so viel wegzunehmen – das tut schon sehr weh."

Rumäniens Premier Boc während des Misstrauensvotums.

Die bürgerliche Regierung von Ministerpräsidenten Boc will den Lohn für Staatsbedienstete um 25 Prozent reduzieren

"Beim Essen und bei Medikamenten sparen"

Maria hat noch ein paar Nebenjobs. Sie versorgt privat fünf pflegebedürftige alte Menschen. Ohne das zusätzliche Geld wäre es unmöglich zu überleben, sagt sie. Aber wenn jetzt das Haupteinkommen vom Staat um ein Viertel gekürzt wird, dann ist es ihr schon zeitlich nicht mehr möglich, den finanziellen Verlust durch andere Tätigkeiten auszugleichen. "Zusätzlich Geld zu verdienen, ist einfach nicht mehr drin. Wir haben schon bisher auf vieles verzichtet, keinen Urlaub gemacht zum Beispiel. Künftig müssen wir halt noch mehr beim Essen sparen. Und ich werde die Medikamente weglassen, die ich eigentlich dringend einnehmen soll."

Angst um den Job

Die harten Sparmaßnahmen hat der Internationale Währungsfonds (IWF) Rumänien verordnet – als Gegenleistung für Hilfskredite in Milliardenhöhe, ohne die der Staat im letzten Jahr kurz vor der Zahlungsunfähigkeit gestanden hätte. Aus Protest gegen den Sparkurs haben die fünf größten Dachgewerkschaften zum Generalstreik aufgerufen. Aber schon im Vorfeld war die Streikfront von Tag zu Tag brüchiger geworden. Viele Menschen haben Angst um ihren Job.

"Die Zukunft wird immer schwerer"

Maria Magureanu findet das kurzsichtig: Wer nur an heute denke vergesse, dass die massiven Lohnkürzungen viele Menschen in die Armut treiben werden. "Die Schwächsten in der Gesellschaft wehren sich nicht. Bevor sie gar nichts mehr haben, begnügen sie sich lieber mit immer weniger. Aber das ist keine Lösung. Die Zukunft wird dadurch immer schwerer."

Knallharte Bedingungen des IWF

Der Chef des größten rumänischen Gewerkschafts-Dachverbandes, Bogdan Hossu, fürchtet, dass die Entwicklung in Rumänien zum Präzedenzfall auch für andere Länder in Europa werden könnte. Geldgeber wie der Internationale Währungsfonds würden den Staaten zwar helfen, aber die Bedingungen dafür seien eben knallhart. "Der Preis, den die Gesellschaft dafür zahlen muss, ist so hoch, dass er den Sozialstaat nach europäischem Muster in Frage stellt. Wenn von Rumänien verlangt wird, solche Ungerechtigkeiten zu akzeptieren, dann könnte das ein Modell für die ganze EU werden", meint Hossu. "So gesehen ist das, was bei uns passiert, eine Bedrohung für ganz Europa." 

250.000 Jobs im öffentlichen Dienst in Gefahr

Die Unterhändler im Auftrag des Internationalen Währungsfonds sehen das anders. Sie geben vor, das Schlimmste doch gerade verhindern zu wollen. Wenn das Sparprogramm, das sie der Regierung in Bukarest verordnet haben, allerdings nicht reicht, dann müssten wohl außerdem auch noch rund 250.000 Jobs im öffentlichen Dienst abgebaut werden. Sonst droht Rumänien irgendwann das gleiche Schicksal wie Griechenland.